Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Vierter Teil. Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. (27)

122 IV. 2. Die konstitutionelle Bewegung in Norddeutschland. 
der belgischen Wirren auf Preußens Freundschaft rechnen mußte.“) Am 
30. Juni erklärte Graf Grünne zum allgemeinen Erstaunen, er sei jetzt 
angewiesen, sich den Anträgen der Agnaten anzuschließen. Damit war also 
endlich die Mehrheit für Preußen gesichert, und wenn der Präsidialge— 
sandte seiner Pflicht gemäß nunmehr einen Beschluß fassen ließ, so wurde 
die Regierung des Herzogs Wilhelm von Bundes wegen anerkannt. Oster- 
reich aber wollte seine Niederlage nicht eingestehen, Münch verzögerte den 
Beschluß unter nichtigen Vorwänden von Woche zu Woche. Und während- 
dem begannen Preußens Parteigenossen selber unsicher zu werden. König 
Ludwig von Bayern schrieb seinem Bundesgesandten: eine Schlußzichung 
scheine nicht mehr nötig; genug wenn alle Regierungen einzeln den neuen 
Herzog anerkennten. Selbst der hannöversche Hof fiel wieder in seine ge- 
wohnte Bedachtsamkeit zurück. Minister von Ompteda in London gestand dem 
preußischen Gesandten, seine Regierung wolle mit Osterreich nicht brechen 
und darum für jetzt nichts weiter tun.) So ward denn wieder zweifel- 
haft, ob die mühsam gewonnene Mehrheit bei der Schlußziehung noch 
zusammenhalten werde. Zu alledem kam ein schweres Rechtsbedenken, 
das schon früher von Preußen ausgesprochen, aber nicht beachtet worden 
war. Die Frage betraf offenbar jura singulorum, nach strenger Aus- 
legung des Bundesrechts konnte sie nur durch einstimmigen Beschluß des 
Bundestags entschieden werden, und dies war undenkbar. 
Angesichts dieser Unmöglichkeit begannen beide Großmächte allmählich 
zu fühlen, daß sie den unlösbaren und zwecklosen Streit in der Stille 
beilegen mußten; sie bedurften einander in der deutschen wie in der euro- 
päischen Politik. Preußen hatte in der Sache seinen Willen durchgesetzt. 
Herzog Wilhelms Regierung bestand, alle deutschen Höfe unterhielten mit 
ihr amtlichen Verkehr, außer dem entthronten Fürsten wagte niemand 
mehr ihre Berechtigung offen anzufechten. Wenn es noch gelang, ihr 
auf einem neuen Wege mindestens die mittelbare Anerkennung des Bun- 
destags zu verschaffen, so war sie rechtlich gesichert und alles erlangt, was 
sich nach einem Rechtsbruche überhaupt erreichen ließ. Eben diesen Ver- 
söhnungsantrag brachte Metternich nach langen Verhandlungen im April 
1832 dem preußischen Hofe entgegen. Osterreich schlug vor, der braun- 
schweigische Gesandte solle beim Bundestage eine neue Vollmacht ein- 
bringen, und diese dann mit einer kurzen Erklärung, wofür zwei ver- 
schiedene Formeln beilagen, amtlich entgegengenommen werden. Preußen 
ging auf den Vorschlag ein und wählte die ihm zusagende Formel; auch 
die welfischen Höfe erklärten sich einverstanden.“*) Demnach legitimierte 
*) Walburg-Truchseß' Bericht, 9. Juni. Grünne an Nagler, 29. Mai 1831. 
**) K. Ludwig von Bayern, Weisung an Lerchenfeld, 2. Aug. Bülows Bericht, 
London 17. Sept. Verbalnote der hannöv. Gesandtschaft an Bernstorff, 31. Okt. 1831. 
**"*) Metternich, Weisung an Trauttmansdorff, 25. April. Weisung an Nagler, 
7. Mai. Münchhausen an Bernstorff, 26. Mai 1832. 
 
	        
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