Ausgleichung am Bundestage. 123
sich Marschall am 12. Juli 1832 zur Fortführung der braunschweigischen
Stimme, indem er eine Vollmacht des Herzogs Wilhelm vorlegte. Der
Bundestag aber beschloß sofort einstimmig, die Vollmacht anzunehmen,
„da nach den vorangegangenen Verhandlungen Se. Durchlaucht als stimm—
führendes Bundesglied in der Bundesversammlung zu betrachten ist.“
Mit diesem Possenspiele fanden die Bundesverhandlungen über die
braunschweigische Frage ihren würdigen Abschluß. Der hochkonservative
Marschall nahm sich als Gesandter eines illegitimen Fürsten ganz ebenso
seltsam aus wie die hohe Versammlung insgesamt, da sie einen Beschluß
faßte, der einer Selbstverhöhnung gleichkam. Sie hatte am 2. Dezember
1830 den Herzog Wilhelm gebeten, die Regierung „bis auf weiteres“ zu
führen, und sodann am 11. Mai 1831 ihm ihren Unwillen über seine eigen—
mächtige Thronbesteigung sehr unhöflich ausgesprochen; über alles andere
war sie nicht einig geworden und gleichwohl behauptete sie jetzt, daß der
Herzog nach den vorangegangenen Verhandlungen als Bundesglied zu
betrachten sei! Zu solchen Widersprüchen führte der legitimistische Trotz,
der die vollendeten Tatsachen wohl verwünschen, doch nicht streichen konnte.
War es zu verwundern, wenn die Liberalen mehr und mehr in das Fahr—
wasser des Partikularismus hinübertrieben? Von dieser Zentralgewalt
hatte die Nation selbst in dringender Notlage nichts zu erwarten.
Die anhaltende Feindseligkeit des vertriebenen Herzogs zwang die
welfischen Höfe unterdessen, neue Vorsichtsmaßregeln zu ergreifen. Am
24. Oktober 1831 vereinbarten sie ein Hausgesetz, kraft dessen fortan für
alle Ehen der Welfen die Einwilligung des regierenden Herrn der Linie
nachgesucht werden mußte. Alle englischen Prinzen unterzeichneten das
Gesetz, der hannöversche Thronfolger Ernst August von Cumberland frei-
lich erst nach langem Sträuben. Dieser fanatische Legitimist wollte von
dem Aufstande der Braunschweiger und allen seinen Folgen nichts hören;
erst nach Jahren versöhnte er sich mit dem Usurpator Wilhelm, und sein
Leben lang hielt er fest an der Meinung, daß den Nachkommen des älteren
Bruders die Thronfolge gebühre.) Karls Unterschrift fehlte natürlich,
und da er zudem sich selber für den regierenden Herrn seiner Linie ansah,
so blieb die braunschweigische Erbfolgefrage auch jetzt noch unentschieden.
Durch seine Rüstungen nötigte er sodann die Agnaten, sein Vermögen unter
Kuratel zu stellen — ein hartes Verfahren, das zu widerwärtigen Prozessen
führte und von den französischen Gerichten nicht als rechtsgültig anerkannt
wurde. Dabei stellte sich heraus, daß er nahezu 350 000 Taler dem
Lande entwendet hatte — 118000 Taler englische Subsidien, das übrige
durch widerrechtlichen Verkauf von Kammergütern — immerhin weit
weniger, als sein erbittertes Völkchen glaubte. Auch das herrliche Man-
tuanische Onyxgefäß und andere Kleinodien des Hauses Bevern hatte er
ins Ausland mitgenommen.
*) Canitzs Bericht, Hannover 10. Jan. 1838.