Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Vierter Teil. Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. (27)

Braunschweigische Verfassung von 1832. 125 
und Glücksrittern. Die Engländer fanden übrigens den Vollbart des 
„Diamantenherzogs“ noch weit anstößiger, als seinen sittlichen Wandel. 
Unablässig arbeitete er für seine Rückkehr, obgleich er daheim gar keinen 
Boden mehr hatte und nur ein einziges Mal eine ganz unbedeutende kar— 
listische Verschwörung in Braunschweig entdeckt wurde. Er plante, mit einer 
französischen Freischar in Deutschland zu landen. Da die Regierung Lud— 
wig Philipps diese Anschläge vereitelte, ließ er seine Leute wieder den ge— 
wohnten demagogischen Federkrieg beginnen und schilderte selber seine Erleb— 
nisse nicht ohne schriftstellerisches Geschick, aber mit schamloser Verlogenheit, 
in den Denkwürdigkeiten Karls von Este. In London lernte er einen 
anderen Prätendenten kennen, von reicherem Kopfe und ärmerem Beutel, 
den Prinzen Ludwig Napoleon. Die beiden fanden sich zusammen und 
verpflichteten sich durch einen förmlichen Vertrag, einander durch Geld und 
Waffen zu ihren Rechten zu verhelfen; Karl versprach außerdem, „wo— 
möglich aus dem ganzen Deutschland eine einige Nation zu machen und 
ihm eine dem Fortschritt des Zeitalters angemessene Verfassung zu geben.“) 
Als aber sein Bundesgenosse den Staatsstreich des zweiten Dezembers 
wagte, da floh der Welfe wieder vor dem Donner der Kanonen; zurück- 
gekehrt, fand er bei dem neuen Kaiser nur laue Unterstützung, weil er 
ihm selber von seinem Reichtum wenig abgegeben hatte. Und als nachher 
die Heere des geeinten Deutschlands gegen Paris zogen, da flüchtete er sich 
nochmals vor seinen Landsleuten und eilte nach Genf. Dieser Stadt ver- 
machte er sein ganzes Vermögen, denn seinem Vaterlande gönnte er nichts, 
und um sein verlorenes Leben noch mit einer höhnischen Bosheit abzu- 
schließen, legte der kleine deutsche Despot den Schweizer Republikanern 
die Verpflichtung auf, ihm ein prächtiges Denkmal, gleich den Gräbern 
der Scaliger, zu errichten. 
Dem braunschweigischen Lande gereichte der Thronwechsel zum Segen. 
Das Herzogtum blieb unter dem Ministerium Schleinitz zwei Jahrzehnte 
lang einer der bestverwalteten Kleinstaaten; sein Landtag besaß an dem 
liberalen Juristen Karl Steinacker einen begabten Redner und behauptete 
unter den kleinen deutschen Parlamenten ein gutes Ansehen. Im Jahre 
1832 wurde eine neue Verfassung vereinbart; sie gab den Bürgern und 
Bauern eine stärkere Vertretung und bewies durch die Tat, daß der 
Umschwung keineswegs, wie der flüchtige Herzog behauptete, bloß durch 
den Adel bewirkt worden war. Eine verständige Agrargesetzgebung ar- 
beitete dann weiter an der Befreiung des Landvolks. Die deutschen Fürsten 
aber wollten sich noch lange nicht darein finden, daß sie jetzt in ihren 
Reihen einen Souverän dulden mußten, der nur gleich dem Bürgerkönige 
mit dem zweifelhaften Titel der Quasilegitimität beehrt werden konnte. 
  
*) Abgedruckt in T. H. Duncombe, the life and correspondence of T. S. 
Duncombe. II. 10.
	        
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