Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Vierter Teil. Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. (27)

Teilung des Landesvermögens. 131 
tullvermögen besaß, dessen Höhe nur ihm selber und dem getreuen Hause 
Rothschild bekannt war, so blieb er nach wie vor einer der reichsten 
deutschen Fürsten. Freilich mußte er nun auch ein Legat, das er seiner 
Gemahlin unterschlagen, und die 110 000 Taler, welche König Friedrich 
Wilhelm der Kurfürstin vorgeschossen hatte, endlich herausgeben; er sträubte 
sich aufs äußerste, aber die Krone Preußen bestand auf ihrem Rechte, 
und der Landtag hielt zu ihr.) 
Sobald man sich über den Grundsatz der Teilung des Landes- 
vermögens geeinigt hatte, beantragte der kurfürstliche Unterhändler Re- 
gierungsrat Eggena, ein gewandter, weltkluger Jurist, die Stände 
sollten dem Landesvater ihren Dank aussprechen. Auch dazu ließ der 
Landtag sich herbei; die bäuerlichen Abgeordneten sagten treuherzig: die 
Kapitalien sind zwar hessisches Blutgeld und gehören eigentlich allesamt 
dem Lande, aber wir müssen dem Kurfürsten auch eine Liebe erweisen. 
Wilhelm empfing die Abgesandten auf Wilhelmshöhe, krank, zerknirscht, 
unter strömenden Tränen. Die getreuen Stände weinten mit und 
tranken nachher drunten im Gasthofe auf das Wohl ihres gnädigen 
Herrn.“) Allein nachdem sie ihm großmütig den besten Teil seiner 
Herzenswünsche erfüllt, meinten sie sich um so mehr berechtigt, in der 
eigentlichen Verfassungssache, die den Kurfürsten weniger bekümmerte, 
ihrem eigenen Kopfe zu folgen. 
Eggena legte ihnen einen Entwurf vor, der im Grunde nur einige 
Verbesserungen der alten ständischen Verfassung enthielt. Dawider erhob 
sich im Verfassungsausschusse sofort der Vertreter der Universität Marburg, 
Professor Silvester Jordan, ein fröhlicher katholischer Tiroler, der schon in 
jungen Jahren daheim gegen die Herrschsucht der Klerisei gekämpft, dann in 
München den Verhandlungen des ersten deutschen konstitutionellen Land- 
tags als eifriger Zuhörer beigewohnt und endlich in Heidelberg sich die 
Heilslehren des Rotteck-Welckerschen „allgemeinen Staatsrechts“ bis auf 
den letzten Buchstaben angeeignet hatte. Den Brüdern Grimm erschien 
der ehrliche Doktrinär als „ein aufgeschwemmter Liberaler, der die Formen 
hitzig verficht, für die Sache nicht einmal mäßige Wärme besitzt“. Unter 
allen den Wortführern des norddeutschen Liberalismus stand er der Welt- 
anschauung Rottecks am nächsten; und nur der wohlberechtigte Groll 
über die Untaten des Kurhauses erklärt das Rätsel, daß die gemüt- 
liche Flachheit dieser josephinischen Aufklärung hier im protestantischen 
Kurhessen Anklang finden konnte. Jordan trat in den Ausschuß mit 
dem Bewußtsein eines großen historischen Berufs: „Kurhessens Beispiel 
ist für den Sieg des konstitutionellen Systems in Deutschland völlig 
  
*) Schreiben des kurf. Ministers v. Schminke an Hänlein, 7. Jan. Wittgenstein 
an Bernstorff, 10. März 1831 usw. 
**) Hänleins Bericht, 23. Nov. 1830. 
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