Die Juliordonnanzen. 13
Krone ungeschmälert seinen Nachfolgern vermachen und strafbare Umtriebe
zu unterdrücken wissen. Er sagte nichts, was ihm nicht zustand, jedoch den
erregten Hörern klangen seine Worte wie eine Drohung. Die Kammer
antwortete durch eine unehrerbietige Adresse; sie beschwerte sich über das
Mißtrauen des Monarchen und stellte den Grundsatz auf: die fortwäh—
rende Übereinstimmung der Ansichten der Regierung mit den Wünschen
des Volks ist die unerläßliche Bedingung des regelmäßigen Ganges der
öffentlichen Angelegenheiten. Derselbe Royer-Collard, der vormals das
parlamentarische Regierungssystem als den Tod der Monarchie bezeichnet
hatte, verlas jetzt vor König Karl die Adresse, welche dies System für
allein zulässig erklärte. Sofort befahl der König die Vertagung der Kam-
mern. Welch ein wüster, unaufrichtiger, gegenstandsloser Zank brodelte
wieder einmal aus dem Hexenkessel der keltischen Leidenschaft empor! Die
Kammer verlangte von der Krone die Entlassung eines Kabinetts, das noch
nichts getan, und der König trieb die Volksvertreter auseinander, bevor
sie noch irgendeinen Vorschlag der Regierung verworfen hatten! Eben
in diesen Tagen banger Spannung schritt Viktor Hugos Hernani zum
ersten Male über die Bretter, die formlose Ausgeburt einer überhitzten
Phantasie; der jubelnde Beifall der Zuschauer bekundete, daß die Nation
ihrer klassischen Ideale müde und auch eine literarische Revolution im
Anzug war. Im Mai erfolgte die Auflösung der Kammer. Aus einem
heftigen Wahlkampfe ging die bisherige Mehrheit, erheblich verstärkt, als
Siegerin hervor, was außer dem Könige und seinen Vertrauten jeder-
mann vorausgesehen hatte. Der Minister aber ließ sich nicht beirren,
fester denn je war er von seinem Rechte überzeugt. Er sagte: der König
würde, wie sein Bruder, das Schafott besteigen, wenn er uns entließe! —
und betrieb nun erst ernstlich den Plan eines Staatsstreichs.)
Von den fremden Gesandten hielt nur noch der Nuntius Lambruschini
bei dem Freunde aus. Selbst Graf Apponyi, der bisher der apostolischen
Partei sehr nahe gestanden, zog sich, als die Entscheidung nahte, behutsam
zurück, wie vorher schon Lord Stewart; Werther dagegen und Pozzo di Borgo
hatten sich von vornherein zu diesem Kabinett kein Herz fassen wollen. Die
großen Mächte verdammten alle die Haltung der Kammern, aber alle
warnten auch vor der vermessenen Torheit eines Verfassungsbruchs.)
Es war vergeblich. Am 25. Juli unterzeichnete der König die verhäng-
nisvollen Ordonnanzen, die auf Grund des vieldeutigen Art. 14 der
Charte das Wahlgesetz abänderten, die Preßfreiheit suspendierten, die neu-
gewählte Kammer auflösten. Die Krone setzte sich selber ins Unrecht,
gab ihren Feinden den erwünschten Vorwand als unschuldige Verteidiger
der Verfassung aufzutreten. Am übernächsten Tage brach der Aufruhr
*) Werthers Bericht, 27. Juni 1830.
**) Bernstorff an Werther 14. Mai, Werthers Berichte 22. Mai, 10. Juni 1830.