Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Vierter Teil. Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. (27)

208 IV. 3. Preußens Mittelstellung. 
die Ehre; seine Arbeit fiel jedoch so matt aus, daß die Regierung sie un- 
gedruckt ließ.;, Auch die Berliner Börse, die jetzt gute Tage sah, da die 
Staatsschuldscheine auf 82—83 gesunken waren, und bereits anfing auf die 
öffentliche Meinung einen fühlbaren Druck auszuüben, pflegte jede Sieges- 
nachricht der Polen mit einem Steigen der Kurse zu begrüßen. Selbst im 
Heere war die Stimmung keineswegs ungeteilt; das rohe russische Wesen 
mißfiel den preußischen Offizieren ebenso gründlich wie den österreichischen. 
Das Militärwochenblatt brachte aus der Feder des Majors Willisen einige 
Aufsätze, welche nicht nur die russische Kriegführung scharf tadelten, sondern 
auch den Polen so deutlich wohlgemeinte Ratschläge gaben, daß Ancillon 
sich tief erschrocken bei dem Kriegsminister beschwerte und ihn nötigte, dem 
Unfug zu steuern.7) 
Die Aufregung wuchs, als das Verderben über Polen hereinbrach, 
im Juli 1831 das Korps Gielguds, 7000 Mann stark, im Oktober 
General Rybinski mit 17000 Mann auf preußischem Boden die Waffen 
streckte; zur Feier des Einzugs wurde Gielgud sogleich von einem seiner 
Offiziere als Verräter niedergeschossen. Welch eine Aufgabe, dies ver- 
wilderte, durch Ungeziefer und ekelhafte Krankheiten stark heimgesuchte 
Kriegsvolk so lange zu beherbergen, bis der Zar ihm die straffreie Rück- 
kehr gestattete! General Krafft und die preußischen Provinzialbehörden 
entledigten sich der peinlichen Pflicht mit musterhafter Geduld. Die Leute 
wurden ganz nach preußischer Weise verpflegt, bekleidet, sogar abgelöhnt: 
die Mannschaft betrug sich leidlich, die Offiziere aber schlemmten im Hoch- 
meister zu Marienburg und im Goldenen Hirsch zu Elbing dermaßen, 
daß selbst die deutschen Polenschwärmer sich der Frage nicht erwehren 
konnten, ob das die Trauer sei um ein verlorenes Vaterland. Nach und 
nach kehrte die Mehrzahl heim, nach zugesicherter Begnadigung; beim Ab- 
marsch erklangen meist stürmische Hochrufe auf den guten König, der sich 
der Unglücklichen so menschlich annahm, obgleich sie auch seine Feinde waren. 
Doch unterdessen gab das Pariser Nationalkomitee die geheime Wei- 
sung aus: der Stamm des polnischen Heeres müsse beisammen bleiben, um 
von Frankreich aus an dem nahen Rachekriege teilzunehmen. Sendboten 
des Generals Bem (er war eigentlich ein Deutscher Namens Böhm) 
stachelten die Zurückgebliebenen auf; unter nichtigen Vorwänden ver- 
weigerten auch solche Offiziere, denen jede Strafe erlassen war, die Heim- 
kehr. Am unsäuberlichsten betrugen sich „die letzten Zehn vom vierten 
Regiment“ sie waren, nachdem ihrer viele heimgekehrt, noch an 800 Köpfe 
stark und lebten in ewigen Händeln mit ihren Quartierwirten. Als 
man sie im Jahre 1832 zu Fischau bei Elbing versammelte, um ihnen 
neue Kantonierungen anzuweisen, drangen sie mit Knütteln und Stangen 
*) Nachträglich gedruckt in Raumers Vermischten Schriften II. 501. 
**) Ancillon an Hake, 26. März; Antwort 7. April; Krauseneck an Bernstorff, 
12. April; Antwort 7. Mai 1831. 
 
	        
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