Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Vierter Teil. Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. (27)

216 IV. 3. Preußens Mittelstellung. 
Bundeskrieges übernehmen, Osterreich sich mit der bescheidenen Rolle 
einer Hilfsmacht begnügen. 
In Wien empfand man, angesichts der unsicheren Lage Italiens, 
die eigene Schwäche so lebhaft, daß man selbst diesen starken Zumutungen 
nicht geradehin zu widersprechen wagte. Eine bündige Antwort war freilich 
auch nicht zu erlangen, und der König entschloß sich daher im Februar 1831, 
den General Rühle von Lilienstern unmittelbar an die süddeutschen Höfe 
zu senden. Dort wurde der preußische Unterhändler überall mit offenen 
Armen aufgenommen. König Ludwig verbarg nicht, daß er der Redlichkeit 
der Hofburg ebensosehr mißtraue wie ihrer kriegerischen Macht; er ließ eben 
jetzt, zum Entsetzen des französischen Gesandten, den bayrischen Schützen— 
marsch, den er einst im Januar 1814 gedichtet, im Theater wieder auf— 
führen und war gern bereit zum Schlagen, aber nur im engsten Anschluß 
an Preußen, und also, daß seine Truppen nötigenfalls ihren Rückzug nach 
dem Maine, gegen Preußen hin nähmen.“) Auch die Höfe von Stuttgart, 
Karlsruhe, Darmstadt, gingen auf Preußens Vorschläge bereitwillig ein; 
sie einigten sich sogar über einen gemeinsamen süddeutschen Feldherrn. 
Im stillen hatte König Wilhelm von Württemberg auf diese Stellung 
gehofft. Die preußischen Generale meinten jedoch, daß er wohl ein 
verständiger und fester Korpsführer, aber kein Feldherr sei und noch 
weniger fähig, Liebe zu gewinnen.“*) Da auch die süddeutschen Höfe diese 
Ansicht teilten, so bezwang der König hochherzig seinen Ehrgeiz und 
schlug selber vor, daß Wrede, der als Feldmarschall den Vortritt hatte, 
die Führung über das bayrische und über das achte Bundes-Armeekorps 
zugleich übernehmen sollte. 
Es war doch ein schöner Erfolg, daß die alte deutsche Zanksucht jetzt 
so ganz zurücktrat. Auf das eifrigste verhandelten die oberländischen 
Höfe nunmehr über alle Einzelheiten ihres Aufmarsches.***) In heller 
Freude schrieb Witzleben dem Auswärtigen Amte: „Die süddeutschen Re— 
gierungen haben uns Vertrauen erwiesen, wir müssen dasselbe largement 
erwidern. Der Charakter der preußischen Politik ist Geradheit und Offen— 
heit, so müssen wir uns daher gegen unsere süddeutschen Brüder aus— 
sprechen. Das wahre deutsche Interesse wird allemal auch ein preußisches 
sein. Wünsche, die jenem nicht entgegen sind, werden daher von uns 
nur unterstützt werden können, und es leidet auch keinen Zweifel, daß 
man sich darüber mit Österreich leicht wird verständigen können.“,) 
General Krauseneck, der den liberalen Ideen nahe stand, trug sich schon 
mit der kühnen Hoffnung, aus diesen Verabredungen werde vielleicht ein 
  
*) Bericht von Rühle und Küster, 7. März. Küsters Berichte, 7., 25. März, 
10. April 1831. 
**) General Wolzogen an Bernstorff, 14. Okt. 1830. 
***) Wrede an Markgraf Wilhelm von Baden, 20. Febr.; Antwort 27. Febr. 1832. 
t) Witzleben an Eichhorn, 1. Juli 1831.
	        
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