Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Vierter Teil. Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. (27)

Welcker verlangt ein deutsches Parlament. 237 
Abgeordneten war ebenfalls an der Glückseligkeit ihres badischen Muster— 
landes ungleich mehr gelegen, als an der Zukunft Deutschlands; durch 
vertrauliches Zureden ließen sie sich bewegen, den Welckerschen Antrag 
„in die Abteilungen zu verweisen“, das will sagen: ihn in der Stille 
zu beerdigen. Welch ein unheimliches Schauspiel! Der Bundestag ver— 
bot den Deutschen, ihm politische Adressen zu senden, und nun bestritt 
eine sehr nachgiebige Regierung selbst den Landtagen das Recht, über 
Bundesangelegenheiten auch nur mitzureden. Wenn man also der Nation 
jeden gesetzlichen Weg zur Bundesreform versperrte, was blieb ihr schließ— 
lich noch übrig als die Bahn der Revolution? 
Nachdem Rotteck noch einmal in leidenschaftlicher Rede wider die 
neuesten Bundesbeschlüsse, wider „das Joch Osterreichs und Preußens“ 
gedonnert und über 34 aus allen Teilen des Landes eingelaufene Dank- 
adressen triumphierend berichtet hatte, wurde der Landtag zu Ende Dezem- 
bers geschlossen. Ein Rausch der Freude ging durch das Land. Überall 
Ehrenpforten und Ehrenjungfrauen, Festzüge und Festschmäuse für die 
heimkehrenden Volksmänner. Auf dem Festkuchen der Stadt Heidelberg 
stand, herrlich in Zucker gegossen, die Göttin des Ruhmes, am Munde 
die Tuba, in der Hand eine Tafel mit den Namen der großen badischen 
Landtagsredner; Europa schaute bewundernd zu diesen Namen empor, 
während der Genius der Krechtschaft mit seiner Geißel trauernd abseits 
saß. Am treuesten bekundete sich die Gesinnung des festlustigen Ländchens 
in einem Liede, das beim Abschiedsmahle der Kammern in Karlsruhe 
gesungen wurde: 
Wohin ich blicke weit umher, 
So schön wie hier ist's nirgends mehr! 
Konnten die großen Mächte diesen selbstzufriedenen Liberalismus, 
der sich so dreist über die Bundesverfassung hinwegsetzte, auf die Dauer 
gewähren lassen? Der Berliner Hof zeigte sich anfangs sehr geduldig. 
Er mahnte den Großherzog zu kräftiger Haltung, doch er warnte ihn 
auch vor verfassungswidrigen Schritten und versicherte wiederholt, daß 
Preußen sich in die badischen Händel nicht einmischen werde.?) Erst als 
das Preßgesetz erschien, schlug die Stimmung um. Eine Verhöhnung des 
Bundesrechts wollte sich der König nicht bieten lassen; auch das Doppel- 
spiel, das die Karlsruher Regierung zwischen dem Landtage und dem 
Bundestage getrieben, widerte ihn an. Bald nach der Entlassung der Kam- 
mern berichtete der badische Gesandte aus Berlin verzweifelnd: „Preußen 
vertraut uns nicht mehr !“ Er ahnte, daß sich über seiner Heimat ein 
Unwetter zusammenzog, dem sie schwerlich widerstehen konnte. — 
  
*) Ancillon, Weisung an Arnim, 21. Januar, an Otterstedt, 15. Juli; Bern- 
storff, Weisung an Otterstedt, 18. November 1831. 
 
	        
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