Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Vierter Teil. Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. (27)

240 IV. 4. Landtage und Feste in Oberdeutschland. 
acht, fast alle liberal, und vergeblich berief der König den Schweizer 
Ernst Münch, um in der Stuttgarter Hofzeitung die Opposition zu be— 
kriegen; das Talent des oberflächlichen Vielschreibers, der vormals zu 
Rottecks Füßen gesessen hatte, zeigte sich solchen Gegnern nicht gewachsen. 
Die schwäbischen Liberalen waren in ihrer Mehrheit gut deutsch gesinnt, 
für die Pariser Heilslehren minder empfänglich als die Badener, aber 
nach Landesbrauch sehr eigensinnig, und sobald sie bei den Wahlen zu 
Anfang 1832 den Sieg davongetragen hatten, forderten sie den sofortigen 
Zusammentritt des Landtags als ihr unbestreitbares Recht. Der König 
aber mitsamt seinem vertrauten Duzbruder, dem gewandten Bureau— 
kraten Maucler hielt ebenso hartköpfig an dem Wortlaut der Verfassung 
fest und ließ nach der Wahl alle Versammlungen, die sich noch mit Land— 
tagssachen befassen wollten, streng verbieten. 
Mittlerweile tauchte auch Wangenheim wieder auf, da ihm in seinem 
Koburger Exile ein württembergischer Wahlkreis ein Mandat angeboten 
hatte. Er war noch ganz der alte, halb Romantiker, halb konstitutio— 
neller Doktrinär, lauschte im Garten des Geisterhauses zu Weinsberg 
andächtig den Äolsharfen seines Freundes Justinus Kerner, in Tübingen 
den Seherworten des Naturphilosophen Eschenmaier und erbat sich vom 
Könige, als geborener Ausländer, die Bestätigung oder Erneuerung seines 
Staatsbürgerrechts. König Wilhelm überwand seinen stillen Groll gegen 
den entlassenen Minister, er gewährte die Bitte, erstaunte aber sehr, als 
Wangenheim sich nun sogleich an die Liberalen anschloß und mit ge— 
wohntem Selbstgefühl erklärte, daß er zwar als ein Mann der rechten Mitte 
für die Sache der Monarchie, für die Souveränität aller deutschen Fürsten 
eintreten, aber auch die Segnungen der Juli-Revolution, die er mit glühen- 
der Begeisterung feierte, den Schwaben übermitteln wolle.') Im April 
1832 ging den erwählten Liberalen die Geduld aus, da sie noch immer nicht 
einberufen wurden; sie versammelten sich im Bade Boll — auch Wangen- 
heim war darunter — und erklärten feierlich ihr Bedauern über das 
„Stocken des verfassungsmäßigen Lebens“. Im Namen der Boller Ver- 
sammlung sendete sodann der heißblütige junge Anwalt Schott eine sehr 
kräftige Bittschrift an den König: „Bis jetzt ist es in den Annalen des 
konstitutionellen Staatslebens noch nicht erhört, daß die Bitten des Volks 
um Einberufung der Stände keine Beachtung zu erwarten haben.“) 
König Wilhelm blieb fest und behauptete das Feld noch ein volles Jahr 
hindurch; das positive Recht erwies sich stärker als das konstitutionelle 
Vernunftrecht. Das Volk aber klagte: so werde den Schwaben gewaltsam 
der Mund verschlossen. — 
  
*) Wangenheim an Hartmann, 28. Februar, 12. August 1830, 23., 26. Oktober 
1831; an König Wilhelm, 13. Oktober, 17. November 1831. 
**) Schott, Eingabe an den König, 10. Mai 1832.
	        
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