Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Vierter Teil. Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. (27)

Das bayrische Preßgesetz. 243 
Presse, die sich gutenteils von dem Abhub der Pariser Tische nährte. 
Mit Unmut bemerkte der Freiherr vom Stein noch kurz vor seinem 
Tode: wie sei der ehrwürdige Name „Publizist“, den unsere Altvorderen 
einem Pufendorf, einem Möser beilegten, jetzt durch eine Rotte seichter 
und gewissenloser Tagesschreiber herabgebracht! Unter der Masse kleiner 
Blätter, die neuerdings aufgeschossen waren, sprach das Bayrische Volks— 
blatt noch am ruhigsten; hier verfocht der wunderliche, von den Dema— 
gogenjägern so lange mißhandelte medizinische Systematiker Eisenmann die 
Lehren Rottecks mit warmem Herzen, aber ohne jede Sachkenntnis. 
Stürmischer redete der Belgier Coremans in seiner Freien Presse, am 
wildesten der Franke Wirth in der Deutschen Tribüne. Alle diese Lite— 
raten gewannen bald eine unheilvolle Macht über den Landtag, obgleich 
sie selber nicht Abgeordnete waren. Coremans pflegte vor wichtigen Ab— 
stimmungen ein drohendes Manifest an die Volksvertreter zu richten, nach 
der Entscheidung die Namen der gesinnungstüchtigen in rotgedruckten 
Ehrenlisten zu veröffentlichen und schüchterte also manche brave Männer 
ein, da die Kleinbürger an das Evangelium der Zeitungen noch überall 
kindlich glaubten. Wirth bearbeitete die Volksvertreter im persönlichen 
Verkehre, und nicht selten geschah es, daß ein dunkler Ehrenmann, der 
noch nie ein Wort gesprochen, sich im Hause erhob, um vom Blatte weg 
eine mächtige Rede abzulesen, deren Satzbau und Gedanken den Heraus— 
geber der Deutschen Tribüne deutlich erkennen ließen. Durch solchen 
Terrorismus unberufener journalistischer Mitarbeiter wurden die Ver— 
handlungen der Stände von Haus aus vergiftet und verfälscht. 
Der König wiederholte in seiner Thronrede vom 1. März, was er 
so oft gesagt: „Ich möchte nicht unumschränkter Fürst sein,“ aber er rief 
auch warnend: „Volksgunst auf des Staatszwecks Kosten darf nicht er— 
strebt werden.“ Zu Beginn der Verhandlungen erhob Freiherr von Closen 
eine heftige wohlberechtigte Beschwerde wider die willkürlichen Verhaftungen 
in München. Der beredte Pfälzer hatte von seinem Vater, einem Kriegs— 
gefährten Washingtons und Lafayettes, die glühende Begeisterung für 
die Freiheit geerbt, indes war er keineswegs gemeint, den Boden der Ver— 
fassung zu verlassen, den König persönlich und dessen Mäcenatentum 
bewunderte er aufrichtig. Er gehörte mit zu jenen fünf Abgeordneten, 
denen der Urlaub versagt war, und hatte sein Amt niedergelegt, um in 
die Kammer einzutreten. Statt diesen treuen Mann durch Wohlwollen 
zu gewinnen, suchte die Regierung in unbegreiflicher Verblendung ihn zu 
verderben. Sie warf die gehässige Frage auf, ob Closen mit Recht in 
der Kammer sitze, da er zwar auf sein Amt verzichtet habe, aber zur Zeit 
der Wahl noch Staatsdiener gewesen sei. Mit erdrückender Mehrheit 
wurde dies Bedenken abgewiesen, und nun ergoß sich von allen Seiten 
her ein Strom des Unwillens über die Minister. Zumal Schenk, „der 
Vater der Preßordonnanz, der bayrische Polignac“ sollte wegen Verfassungs- 
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