Wirth und Siebenpfeiffer. 253
Geschäftsleuten Darlehen gewähren. Wirth weigerte sich sein Blatt den
Zensoren zu unterwerfen, forderte alle deutschen Schriftsteller öffentlich
auf, ihm die von der Zensur gestrichenen Stellen zum Abdruck zu über—
geben, verlegte seine Zeitung von einer pfälzischen Stadt zur anderen,
sobald ihm seine Handpresse versiegelt wurde, und führte gegen die Polizei-
behörden einen kleinen Krieg, der das Volk um so stärker erbittern mußte,
weil die Gerichte sich in mehreren Fällen des gehetzten Mannes annahmen.
Die pfälzischen Richter wurden allgemein als die natürlichen Verteidiger
der Landesfreiheit verherrlicht, und sie setzten auch ihren Stolz darein,
durch milde, zuweilen recht anfechtbare Urteile der Welt zu beweisen,
daß unter der Herrschaft der napoleonischen Codes den politischen Kämpfern
mehr erlaubt sei als in Altbayern.
Von nah und fern drängten sich nunmehr radikale junge Schrift-
steller an jene beiden Führer heran: der Herausgeber der Speierschen
Zeitung Kolb, der Braunschweiger Georg Fein, Sauerwein in Frankfurt
und viele andere, von denen keiner über die Mittelmäßigkeit herausragte.
Ermutigt durch das Beispiel der Pfälzer ließ der Mecklenburger Hundt-
Radowsky in irgend einem Winkel des Südens „die Geißel“ erscheinen,
worin gleich zum Eingang „die Geisterstimmen der Ermordeten an Nickel
und seine Verbündeten“ erklangen. Die hessischen Liberalen gründeten
unter dem Schutze der schlaffen pfälzischen Zensur das „hessische Volks-
blatt“, das, nur von Hessen geschrieben, die Minister in Darmstadt schwer
beunruhigte. Aus sicherer Ferne half auch Börne mit, dessen Pariser
Briefe täglich frecher, höhnischer, roher sprachen.
Bald wurden auch die Truppen bearbeitet; im Zweibrückener All-
gemeinen Anzeiger setzte ein angeblicher Unteroffizier seinen Kameraden
auseinander, daß sie sich gegen Bürger nicht gebrauchen lassen dürften,
da „als Bürger alle Erdbewohner gleiche Rechte“ hätten. Um die preu-
ßischen Rheinländer ebenfalls aufzuwiegeln, ließ man in Zweibrücken eine
Schrift erscheinen, „Rheinpreußische Glückseligkeit“, ein hohles Machwerk,
das an der preußischen Verwaltung eigentlich nichts zu tadeln fand als die
Tyrannei der Zensoren, denen „der Staat ihre Ketten von dem Bürger-
schweiße vergoldete“, und gleichwohl zu dem Schlusse gelangte, die Rhein-
länder seien Waisenkinder, zwar nicht ohne Mutter, aber ohne Vater. Hier
war die Mühe freilich umsonst. Die Rheinländer standen, bis auf ver-
schwindende Ausnahmen, fest zum preußischen Staate, so daß Präsident
Ruppenthal, seit Daniels Tode der anerkannt erste rheinische Jurist, bei
der Eröffnung der Assisen von 1832 die unwandelbare Treue der Provinz
mit gerechtem Stolze rühmen konnte.
Um so kläglicher zeigte sich die Hilflosigkeit der Kleinstaaterei in dem
koburgischen Fürstentum Lichtenberg, dem fruchtbaren Heimatlande der
falschen Sechser. Die Lichtenberger klagten ihrem Herzoge in einer stür-
mischen Adresse, daß sie bare 10 000 Gulden für das Heer bezahlen