262 IV. 4. Landtage und Feste in Oberdeutschland.
daß die pfälzische Bewegung einen üblen Verlauf nehmen müsse; der
ewigen Händel überdrüssig, erbat er sich seine Versetzung. Sein Nachfolger,
Frhr. von Andrian, zeigte sich durchaus ratlos, obgleich ihn die Presse so—
gleich als einen blutigen Landvogt begrüßte; er untersagte zuerst die Ham—
bacher Versammlung und nahm dann das Verbot zurück, da der Stadtrat
von Neustadt und die Landräte von Rheinbayern sich dawider verwahrten.
So hatte die Regierung ihre Furcht gezeigt und doch ihren Willen nicht
durchgesetzt; die Radikalen frohlockten, und triumphierend sagte der Fest-
ausschuß, als er in seinem Rechenschaftsberichte jene heldenmütigen Stadt-
und Landräte aufzählte: „wir übergeben ihre Namen dem dankbaren
Andenken der Nachwelt.“
Nun rüstete sich alles an beiden Ufern des Mittelrheins für die
Feier des „Allerdeutschenfestes“. In Mainz, wo viele der alten Gießener
Schwarzen lebten, zeigten sich plötzlich schwarzrotgoldene Kokarden und
Bänder; die Farben der Burschenschaft hießen fortan die deutschen Frei-
heitsfarben. Dreifarbig, nach Frankreichs Vorbild, mußte das Banner
der nationalen Einheit und Freiheit sein, im Gegensatz zu den zweifarbigen
Fahnen der alten Dynastien. Der österreichische Gouverneur schritt als-
bald mit Verboten ein, und die Bundesversammlung genehmigte sein Ver-
fahren, „wenn auch die abenteuerlichen Intentionen und Abzeichen der
Partei keiner besonderen Beachtung wert seien, wodurch sie leicht erst den
Schein einer unverdienten Wichtigkeit erlangen könnten“.*) Das Verbot
fruchtete nichts. Am 26. Mai waren alle die Landstraßen, die rheinauf
und rheinab durch die Ebene oder aus dem Odenwalde und dem Westrich
nach dem lieblichen Neustadt führen, dicht bedeckt mit langen Zügen von
Wagen und Fußgängern; überall prangten die deutschen Farben. Min-
destens 25 000 Köpfe strömten in der Feststadt zusammen, die Glocken
läuteten, die Geschütze donnerten, auf dem Gebirge brannten Freudenfeuer.
Zum zweiten Male sollte eine Bergfeier für die Geschichte des Deutschen
Bundes bedeutungsvoll werden; aber welch ein Abstand zwischen der
christlich-vaterländischen Begeisterung der Burschen auf der Wartburg
und dem weltlichen Radikalismus dieser neuen Tage. Von dem roman-
tischen Zauber, der einst das Burschenfest durchleuchtet hatte, ließ sich in
dieser Massenversammlung trinkender und lärmender Menschen nur wenig
bemerken, und auch die politische Bildung war in fünfzehn Jahren leider
kaum fortgeschritten: auf den überspannten Idealismus der Jugend folgte
der falsche Idealismus der Erwachsenen.
Am Morgen des 27.setzte sich der Festzug in Bewegung; dreihundert
Handwerksburschen sangen nach der Melodie des Schillerschen Reiter-
liedes ein Gedicht von Siebenpfeiffer: „Hinauf, Patrioten, zum Schloß,
zum Schloß!“ Inmitten der Frauen, die ausdrücklich geladen und dem
*) Geheime Registrande zur Sitzung der Bundesversammlung v. 24. Mai 1832.