Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Vierter Teil. Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. (27)

Das Hambacher Fest. 263 
Rufe zahlreich gefolgt waren, schritt ein Fähnrich mit dem weißroten 
Banner Polens, dann folgten die Festordner mit einer deutschen Fahne, 
worauf geschrieben stand: „Deutschlands Wiedergeburt“; die armen Winzer 
trugen ein schwarzes Trauerpanier und beklagten in einem schwer- 
mütigen Gesange den schlechten Absatz der pfälzischen Weine. Droben 
auf dem Schlosse wurden die Fahnen Deutschlands und Polens feierlich 
aufgepflanzt; die alten Feinde, der schwarze und der weiße Adler, ge- 
sellten sich gemütlich zusammen — ein bedenkliches Vorzeichen für die Zu- 
kunft dieser deutschen Trikolore, die leider niemals mehr als ein Partei- 
abzeichen werden sollte. Unheimliche Erinnerungen deutscher Knechtschaft 
umschwebten das Gemäuer der Kästenburg, der alten Zwingburg der ver- 
rufenen Bischöfe von Speyer; sie war einst im Bauernkriege durch das 
verzweifelte Landvolk gebrochen und nachher auf Befehl des unbarm- 
herzigen Fürsten durch die Zerstörer selbst wieder aufgebaut worden; nun 
lag sie nochmals in Trümmern, dank den Franzosen, und sollte durch 
das große Volksfest für immer der Freiheit geweiht werden. Die Menge 
lagerte sich unter den schönen Kästenbäumen am Abhang, mancher be- 
grüßte mit Jubelruf die Türme von Speyer und Mannheim, die fern 
aus der üppigen Ebene aufragten. Der Wein floß in Strömen. Vater- 
ländische Lieder erklangen, alle frei nach Schiller — denn längst war 
Schiller durch sein mächtiges Pathos der Liebling der kleinen Leute ge- 
worden —, alle voll Zornes über „der Deutschen schandenvolle Lage“: 
Tyrannei, auf Gold gebettet, 
Lachte deiner Hoffnung Hohn, 
Hat dich schimpflicher gekettet 
An des Nordens blut'gen Thron. 
Zahlreiche Adressen ferner Freunde waren eingelaufen, aus mehreren 
deutschen Orten, von dem polnischen Nationalkomitee zu Paris, von 
dem radikalen Vereine der Amis du peuple in Straßburg. Auch einige 
Rheinpreußen hatten ihren Festgruß gesendet; sie beklagten bitterlich „das 
muntere Vöglein des Rheines, das zu dem alten finsteren Uhu in den 
Käfig gesperrt“ sei, wollten aber ihre Namen nicht nennen, „um der guten 
Sache nicht zu schaden“. Dann schilderte Siebenpfeiffer in langer Rede 
„den Gedanken des heutigen Festes, des herrlichsten und bedeutungsvollsten, 
das seit Jahrhunderten in Deutschland gefeiert ward“. Er sah den Tag 
kommen, „wo die Fürsten die bunten Hermeline feudalistischer Gottstatt- 
halterschaft mit der männlichen Toga deutscher Nationalwürde vertauschen; 
wo das deutsche Weib, nicht mehr die dienstpflichtige Magd des herrschenden 
Mannes, sondern die freie Genossin des freien Bürgers, unseren Söhnen 
und Töchtern schon als stammelnden Säuglingen die Freiheit einflößt,“ 
und schloß mit einem Hoch auf Deutschland, Polen, Frankreich, auf 
jedes Volk, das seine Ketten bricht, auf Vaterland, Volksfreiheit, Völker- 
bund. Noch kräftiger ging Wirth mit der Sprache heraus. Der ließ
	        
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