Das Hambacher Fest. 263
Rufe zahlreich gefolgt waren, schritt ein Fähnrich mit dem weißroten
Banner Polens, dann folgten die Festordner mit einer deutschen Fahne,
worauf geschrieben stand: „Deutschlands Wiedergeburt“; die armen Winzer
trugen ein schwarzes Trauerpanier und beklagten in einem schwer-
mütigen Gesange den schlechten Absatz der pfälzischen Weine. Droben
auf dem Schlosse wurden die Fahnen Deutschlands und Polens feierlich
aufgepflanzt; die alten Feinde, der schwarze und der weiße Adler, ge-
sellten sich gemütlich zusammen — ein bedenkliches Vorzeichen für die Zu-
kunft dieser deutschen Trikolore, die leider niemals mehr als ein Partei-
abzeichen werden sollte. Unheimliche Erinnerungen deutscher Knechtschaft
umschwebten das Gemäuer der Kästenburg, der alten Zwingburg der ver-
rufenen Bischöfe von Speyer; sie war einst im Bauernkriege durch das
verzweifelte Landvolk gebrochen und nachher auf Befehl des unbarm-
herzigen Fürsten durch die Zerstörer selbst wieder aufgebaut worden; nun
lag sie nochmals in Trümmern, dank den Franzosen, und sollte durch
das große Volksfest für immer der Freiheit geweiht werden. Die Menge
lagerte sich unter den schönen Kästenbäumen am Abhang, mancher be-
grüßte mit Jubelruf die Türme von Speyer und Mannheim, die fern
aus der üppigen Ebene aufragten. Der Wein floß in Strömen. Vater-
ländische Lieder erklangen, alle frei nach Schiller — denn längst war
Schiller durch sein mächtiges Pathos der Liebling der kleinen Leute ge-
worden —, alle voll Zornes über „der Deutschen schandenvolle Lage“:
Tyrannei, auf Gold gebettet,
Lachte deiner Hoffnung Hohn,
Hat dich schimpflicher gekettet
An des Nordens blut'gen Thron.
Zahlreiche Adressen ferner Freunde waren eingelaufen, aus mehreren
deutschen Orten, von dem polnischen Nationalkomitee zu Paris, von
dem radikalen Vereine der Amis du peuple in Straßburg. Auch einige
Rheinpreußen hatten ihren Festgruß gesendet; sie beklagten bitterlich „das
muntere Vöglein des Rheines, das zu dem alten finsteren Uhu in den
Käfig gesperrt“ sei, wollten aber ihre Namen nicht nennen, „um der guten
Sache nicht zu schaden“. Dann schilderte Siebenpfeiffer in langer Rede
„den Gedanken des heutigen Festes, des herrlichsten und bedeutungsvollsten,
das seit Jahrhunderten in Deutschland gefeiert ward“. Er sah den Tag
kommen, „wo die Fürsten die bunten Hermeline feudalistischer Gottstatt-
halterschaft mit der männlichen Toga deutscher Nationalwürde vertauschen;
wo das deutsche Weib, nicht mehr die dienstpflichtige Magd des herrschenden
Mannes, sondern die freie Genossin des freien Bürgers, unseren Söhnen
und Töchtern schon als stammelnden Säuglingen die Freiheit einflößt,“
und schloß mit einem Hoch auf Deutschland, Polen, Frankreich, auf
jedes Volk, das seine Ketten bricht, auf Vaterland, Volksfreiheit, Völker-
bund. Noch kräftiger ging Wirth mit der Sprache heraus. Der ließ