264 IV. 4. Landtage und Feste in Oberdeutschland.
„die vereinigten Freistaaten Deutschlands, das konföderierte republi—
kanische Europa“ hoch leben und verlangte, daß einige entschlossene Männer
die gemeinsame Leitung der deutschen Opposition übernähmen; als ehr—
licher Patriot warnte er aber die Deutschen vor Frankreichs Rheingelüsten.
Während er dann das Schwert des Preßvereins, ein Geschenk aus
Frankfurt, stolz nach allen vier Winden schwang, fluteten die Reden und
die Lieder unaufhaltsam weiter. Der Straßburger L. Rey beteuerte in
französischer Ansprache, Frankreich wolle keine Eroberungen, sondern einen
freien Bund mit dem freien Deutschland. Zwei edle Polen redeten in
gleichem Sinne. Der Pfälzer Scharpff versicherte: „Der beste Fürst von
Gottes Gnaden ist ein geborener Hochverräter an der menschlichen Ge—
sellschaft.“ Fast ebenso radikal, aber mit entschiedenem Talent und wohl—
tuender patriotischer Wärme sprach ein Student aus Westfalen, K. H.
Brüggemann, zum Jubel der Kommilitonen, die in Scharen aus Heidelberg
herüber gewandert waren. Manche in der Menge riefen einen feierlichen
Fluch über sämtliche deutsche Fürsten. Zuletzt verhallten alle Worte in
der allgemeinen Trunkenheit. Dem schweigsam zuhörenden Karl Mathy
wurde ganz unheimlich zu Mute bei dem tollen Treiben, während Lud—
wig Börne, der auch mit im Getümmel stand, aber bald nachher sich
wieder in das sichere Paris zurückstahl, die wildesten Reden noch zu ge—
mäßigt fand. Am richtigsten gab ein Lied, das irgendwo im Haufen ge—
sungen wurde, die Gesinnungen der Menge wieder:
Mut, Mut, Mut! Nicht wird uns Gott verlassen,
Folgen wir in Treuen seinem Wort!
Feurig laßt uns lieben, feurig hassen
Und bereiten uns zum Drachenmord.
Wie der Lindwurm stolz sich brüstet,
Ihn nach unserm Blut gelüstet!
Wer dieser Lindwurm sei, ob Preußen oder der Bundestag, das ver-
schwieg der Dichter weislich, und eben damit traf er die Meinung seiner
Hörer, die allesamt nur durch eine mächtige lyrische Empfindung, durch die
Nachklänge der großen Epoche deutscher Dichtung, sich im Herzen gehoben
fühlten und irgendein außerordentliches Ereignis ersehnten.
Am nächsten Morgen ließen die Führer drunten in Neustadt Ver-
trauensmänner aus den einzelnen deutschen Gauen wählen und legten
ihnen die Frage vor, ob man nicht sogleich eine provisorische Regierung
für das freie Deutschland einsetzen solle. Der Vorschlag ward verworfen,
weil man zu solchen Beschlüssen von daheim keinen Auftrag habe. So
verlief das Fest ohne unmittelbares Ergebnis, aber der wilde Lärm nach
so langen Jahren tiefer Stille regte das Land weithin auf. Als die
Mainzer von Hambach heimkehrten, gerieten sie unterwegs zu Worms
in einen rohen Pöbelaufruhr hinein; die Wormser meinten einfach, jetzt
sei Freiheit. Unverkennbar hatten die französischen Geheimbünde auf das