Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Vierter Teil. Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. (27)

278 IV. 5. Wiederbefestigung der alten Gewalten. 
in Zukunft unter Preußens Schutz treten müsse. So bewährte er wieder, 
unbekümmert um Welckers sittliche Entrüstung, seine stolze Selbständigkeit 
gegenüber den Vorurteilen der Parteien und gestand selbst, mancher 
Schwabe werde den Gedanken des preußischen Protektorats „ganz unglaub— 
lich“ finden wollen. Da erhielt er während des Drucks die Nachricht von 
den Frankfurter, Ordonnanzen“, und aufwallend in leidenschaftlichem Zorne, 
fügte er ein geharnischtes Nachwort hinzu, das mit der Drohung schloß: 
nunmehr werde die Nation durch die Fürsorge ihrer Regierungen „dasjenige 
erhalten, woran es ihr bisher gefehlt: ein gemeinschaftliches Interesse und 
einen gemeinschaftlichen Feind“. 
Eingeschüchtert durch das allgemeine Mißtrauen versicherten die Mi— 
nister und Geheimen Räte, als sie die Bundesbeschlüsse veröffentlichten, 
feierlich, daß diese Vorschriften die Verfassung und namentlich das Steuer— 
bewilligungsrecht der württembergischen Landstände in keiner Weise ge— 
fährden sollten (28. Juli). „Zu umso vollständigerer Beruhigung seiner 
getreuen Untertanen“ gab der König, der zu Livorno weilte, in einem 
alsbald veröffentlichten Briefe diesem Vorbehalte seine förmliche Geneh— 
migung. Aber das Land ließ sich nicht beschwichtigen. Neue Adressen 
liefen ein, aus der Hauptstadt, aus Ulm, aus Tübingen. Der Stutt— 
garter Bürgerausschuß veranstaltete einen feierlichen Aufzug, um die Ein— 
gabe dem königlichen Kabinett selbst zu überbringen. Mit dem Rufe: „Nur 
über meine Leiche!“ und unter dem lauten Murren der Bürgerschaft trieb 
der Stadtdirektor Klett die Versammelten auseinander. Da brach König 
Wilhelm seine italienische Reise ab und kehrte eilends heim. Er verwies 
seinen Stuttgartern streng ihr aufrührerisches Gebaren, ließ ihnen die 
„hauptsächlich durch die Umtriebe einer übelwollenden Partei zustande 
gekommene“ Adresse zurückgeben, beteuerte wiederholt seine unverbrüchliche 
Verfassungstreue und versicherte zugleich vertraulich den Gesandten der 
großen Mächte, wie sehr er sich über die Bundesbeschlüsse freue.) 
Den beiden Großmächten kamen diese Winkelzüge der konstitutionellen 
Höfe sehr ungelegen, indes sahen sie darin mit Recht nur ein Zeichen der 
Schwäche, nicht der Widersetzlichkeit. Zu Frankfurt wurde die Frage in 
vertraulichen Besprechungen lebhaft, aber ohne Bitterkeit erörtert. Dann 
beschloß der Bundestag sein Ansehen zu wahren und erklärte am 8. Novbr.: 
die der Bekanntmachung beigefügten „erläuternden Beisätze“ könnten, „wie 
sich von selbst verstehe“, der Verbindlichkeit der Bundesbeschlüsse keinen 
Eintrag tun, „sowie solches ohnehin auch nicht in der Absicht der einzelnen 
Regierungen gelegen“ habe. Diesem Beschlusse, der ihnen doch selber einen 
sanften Backenstreich gab, stimmten die Gesandten der fünf Höfe, welche 
mit Vorbehalt veröffentlicht hatten, sämtlich zu. So drehten sich die 
Staatsgewalten im Kreise, und die argwöhnische Opposition mußte zu 
  
*) Salviatis Berichte, 11., 16., 26. Aug., 6. Nov. 1832.
	        
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