282 IV. 5. Wiederbefestigung der alten Gewalten.
wirksamen Nationalsympathien und Antipathien, Verwandtschaften und
Scheidewände“ verschwanden ihm daneben. Mittlerweile geriet er in
Händel mit dem Gemeinderate, weil dieser eine Bürgerwache zur Ver-
hinderung von Volksversammlungen errichtet hatte, und als nun auch die
Studenten wieder allerhand Straßenunfug verübten, da meinte die Re-
gierung, dies Nest des Aufruhrs an der Dreisam ausheben zu müssen.
In ihrer Angst ging sie noch weit über die Forderungen des Bundestags
hinaus. Die Universität Freiburg wurde geschlossen und dann mit ver-
änderter Verfassung neu eröffnet. Rotteck und Welcker erhielten den Ab-
schied mit Ruhegehalt, Duttlinger entging dem gleichen Schicksal nur, weil
man ihn auf dem Lehrstuhle nicht entbehren konnte. Es war nicht bloß
ein schweres Unrecht wider ehrenhafte Gegner, die sich allen geheimen
Umtrieben stets fern gehalten hatten, sondern auch eine politische Torheit;
denn die Wirksamkeit der beiden als Lehrer reichte nicht sehr weit, durch
die Absetzung gab man ihnen außer dem Ruhme der Märtyrer auch die
Muße, sich ganz dem Parteileben zu widmen. Durch mannigfache Huldi-
gungen suchten die Gesinnungsgenossen den Abgesetzten Trost zu geben.
Welcker, der sich bis zuletzt durch umfängliche Verteidigungsschriften tapfer
wehrte, wurde in Gießen von seinen Landsleuten mit einem großen Fest-
mahle geehrt. Rotteck erhielt aus verschiedenen Gegenden des konstitutio-
nellen Deutschlands neue Ehrenbecher zugesendet; deren Zahl stieg all-
mählich auf zwölf, so daß die Badener sich bewogen fanden, ihrem Helden
noch einen kostbaren Kasten zur Aufbewahrung der Spenden zu schenken;
wenn er diese Schätze betrachtete, dann sagte er stolz: welcher Minister
hat wohl so schöne Orden?
Trotzdem reichte die Unzufriedenheit nicht über enge Kreise hinaus.
Der Zorn über die halb mögliche, halb eingebildete Gefährlichkeit der Sechs
Artikel mußte dem Volke unverständlich bleiben, obgleich Rotteck, „der Baure-
held“, bei den Massen in hohem Ansehen stand. Als der Großherzog mit
Reizenstein im Herbst den Breisgau besuchte, fand er seine Oberländer
ganz glücklich: Spelz und Trauben waren gut geraten. Der greise
Minister glaubte fest, durch heilsame Strenge dem Staate einen Dienst
erwiesen zu haben und nahm den Dank des Berliner Hofes befriedigt an.
Er betrachtete die Lage als Diplomat; er sah sein Land fast waffenlos,
ohne Festung, durch die gallische Habgier unmittelbar bedroht. Darum
wünschte er, wie er dem preußischen Gesandten sagte, entweder einen wirk-
lichen Frieden oder, wenn es sein müsse, einen raschen, zermalmenden
Angriffskrieg, und für beide Fälle war Preußens Freundschaft unent-
behrlich.)
Dergestalt war auch in Baden die Bewegung ins Stocken geraten,
*) Otterstedts Berichte, 12. Okt., 24. Nov.; Ancillon, Weisung an Otterstedt,
20. Sept. 1832.