290 IV. 5. Wiederbefestigung der alten Gewalten.
asperg gesessen und dann vom Könige vollständige Begnadigung erlangt
hatten. Mit gutem Grunde behaupteten nun die Liberalen, durch die
Wiederherstellung ihrer bürgerlichen Ehre sei den vier auch die Wählbarkeit
zurückgegeben worden. Der nachtragende König aber wollte sich lieber die
Prärogative seiner Krone selbst beschränken als diese vier, persönlich höchst
achtbaren, Männer in die Kammer einlassen; er drohte mit sofortiger
Auflösung des Landtages,?) und wie oft hatte er sich doch in früheren
Zeiten gerühmt, daß die Demagogen nirgends so mild behandelt würden
wie in Schwaben! In der Tat erreichten Minister Schlayer und seine
Getreuen durch eine kühne juristische Beweisführung, daß die vier Dema-
gogen ausgeschlossen wurden; denn nach dem Buchstaben der Verfassung
könne im Landtage niemand sitzen, der jemals eine verschärfte Festungs-
haft verbüßt habe, daran vermöge selbst die Gnade des Königs nichts zu
ändern. Es war ein Stück verkehrter Welt: die Opposition verteidigte,
die Minister bestritten das unbeschränkte Begnadigungsrecht des Mon-
archen, und mächtig klangen im Lande die mahnenden Worte Uhlands
wieder: „in den unerfüllten Wünschen der Völker, in den unwirksamen
deutschen Verfassungen liegt ein Keim tiefgehender Bitterkeit für das
reifere Alter wie für die Jugend.“ Salviati sogar, der preußische Ge-
sandte, fand es unbegreiflich, daß die Regierung also, in blindem Partei-
haß, sich selber ins Fleisch schnitt.
Aber auch die Liberalen begingen, fortgerissen durch eine ehrenwerte
patriotische Leidenschaft, Fehler auf Fehler. Mit flammenden Worten
verlangte Schott die Preßfreiheit für seine Schwaben, erklärte die Karls-
bader Beschlüsse für nichtig und pries das ruhigste Land der Welt, Nord-
amerika, das mit seiner freien Presse sich des wundervollen Rufes poli-
tischer Glückseligkeit erfreue. Die Abgeordneten drängten sich um den
Redner, der tief erregt inmitten des Saales stand, von den Galerien
erdröhnte rauschender Beifall; doch die Ministerbank war leer, und wer
konnte auch für möglich halten, daß Württemberg heute noch, nachdem das
badische Preßgesetz schon von Bundes wegen aufgehoben war, dem bedenk-
lichen Beispiele des Nachbarlandes folgen würde? Immer schärfer traten
die Parteien auseinander; schon rief die Württembergische Zeitung, jetzt
sei die Lage geklärt, jetzt heiße es einfach: wir und ihr! Die Stuttgarter
Bürgerschaft war seit zwei Jahren nicht aus der Aufregung herausgekommen,
selbst die kleinen persönlichen und örtlichen Händel in den Tagesblättern
wurden mit erbitterter Heftigkeit geführt; nun begann auch allerhand grober
Straßenunfug. Da ließ der König die Drohung fallen, er werde das
Hoflager in das Trutz-Stuttgart seiner Ahnen, nach Ludwigsburg verlegen.
Kaum ward dies ruchbar, so begannen die Bürger schon für ihren Erwerb
zu zittern und überreichten dem erzürnten Monarchen eine mit 1600 Unter-
7) Küsters Bericht, 20. Jan. 1833.