Pfizers Motion. 291
schriften bedeckte demütige Adresse. Er ließ die Abgesandten hart an,
sprach von einer wohlbekannten Rotte, die das undeutsche Wesen in
Schwaben einbürgern wolle, und verhieß nur, daß seine Entschließung von
dem Wohlverhalten der Stadt abhängen werde.
Unterdessen hatte die Opposition sich zur Hauptschlacht gerüstet.
Pfizer übernahm den ersten Stoß zu führen — nicht zu seinem Glücke,
denn solche weitsichtige Prophetennaturen werden im wimmelnden Gewühl
der kleinen Tagespolitik leicht in falsche Stellungen gedrängt. Am 13. Fe—
bruar brachte er eine „Motion“ ein, die sofort als Flugschrift gedruckt
wurde, da die Zensoren den Zeitungen den Druck untersagten, und weithin
im konstitutionellen Deutschland großes Aufsehen erregte. Die Motion
verlangte geradeswegs, die Sechs Artikel sollten für unverbindlich erklärt
werden, bis die Regierung sich mit ihren Landständen und dem Bundes-
tage über andere Beschlüsse verständigt hätte. Pfizers Rede war meister-
haft, gedankenreich und voll edler Leidenschaft, aber der Antrag selbst ganz
unhaltbar und nicht einmal durch die Not entschuldigt. Daß die Sechs
Artikel der Landesverfassung geradezu widersprächen, wagte der Redner
selbst nicht zu behaupten; er sagte nur: „sie tragen in sich die Fähigkeit,
den Staatsvertrag abzuändern.“ Nun hatte der König erst vor kurzem
feierlich versprochen, daß er die Bundesbeschlüsse nie mißbrauchen werde,
und seine Zusage bisher redlich gehalten; er mußte also in der Motion
eine absichtliche Beleidigung sehen, obwohl Pfizer über ihn persönlich mit
Ehrfurcht redete. Und welch ein grober Partikularismus sprach aus dem
Antrage. Wie heillos verfahren und verschroben war die deutsche Politik,
wenn dieser Bewunderer Preußens, dieser Vorkämpfer der nationalen Ein-
heit, der über die Nichtigkeit der kleinen Landtage so scharf und treffend
urteilte, jetzt die württembergische Verfassung kurzerhand über das Bundes-
recht stellte! Er empfand auch selbst den Widerspruch, er fühlte, daß er
nur als Vertreter des Liberalismus unter seinen Landsleuten Ansehen
gewinnen konnte, und gestand offen: „Ich wollte diejenigen, welche mich
falsch beurteilten, überzeugen, daß die Einheit Deutschlands, welche ich
wünsche, die Einheit des Rechtes und der Freiheit ist, und daß ich die
Einheit des gesamten Deutschlands nicht um den Preis der Unterdrückung
und Vernichtung der einzelnen deutschen Länder erkauft wissen möchte.“
Solange die deutschen Staaten souverän waren und ein deutscher Reichstag
nicht bestand, durften die Landtage mit Recht verlangen, daß die Minister
ihnen nötigenfalls auch wegen der nach Frankfurt erlassenen Weisungen
Rede stehen müßten; aber Pfizer ging weiter, er wollte die Bundesgesandten
Württembergs nur dann als rechtmäßige Vertreter des Landes gelten
lassen, wenn ihnen ihre Aufträge mit Zustimmung der Landstände erteilt
würden. Das hieß die deutsche Zentralgewalt den Befehlen eines Dutzends
kleiner Landtage unterwerfen, und erschien um so gefährlicher, da Pfizer
sogar das allen Bundesfürsten teuere „monarchische Prinzip“ der Bundes-
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