Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Vierter Teil. Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. (27)

Pfizers Motion. 291 
schriften bedeckte demütige Adresse. Er ließ die Abgesandten hart an, 
sprach von einer wohlbekannten Rotte, die das undeutsche Wesen in 
Schwaben einbürgern wolle, und verhieß nur, daß seine Entschließung von 
dem Wohlverhalten der Stadt abhängen werde. 
Unterdessen hatte die Opposition sich zur Hauptschlacht gerüstet. 
Pfizer übernahm den ersten Stoß zu führen — nicht zu seinem Glücke, 
denn solche weitsichtige Prophetennaturen werden im wimmelnden Gewühl 
der kleinen Tagespolitik leicht in falsche Stellungen gedrängt. Am 13. Fe— 
bruar brachte er eine „Motion“ ein, die sofort als Flugschrift gedruckt 
wurde, da die Zensoren den Zeitungen den Druck untersagten, und weithin 
im konstitutionellen Deutschland großes Aufsehen erregte. Die Motion 
verlangte geradeswegs, die Sechs Artikel sollten für unverbindlich erklärt 
werden, bis die Regierung sich mit ihren Landständen und dem Bundes- 
tage über andere Beschlüsse verständigt hätte. Pfizers Rede war meister- 
haft, gedankenreich und voll edler Leidenschaft, aber der Antrag selbst ganz 
unhaltbar und nicht einmal durch die Not entschuldigt. Daß die Sechs 
Artikel der Landesverfassung geradezu widersprächen, wagte der Redner 
selbst nicht zu behaupten; er sagte nur: „sie tragen in sich die Fähigkeit, 
den Staatsvertrag abzuändern.“ Nun hatte der König erst vor kurzem 
feierlich versprochen, daß er die Bundesbeschlüsse nie mißbrauchen werde, 
und seine Zusage bisher redlich gehalten; er mußte also in der Motion 
eine absichtliche Beleidigung sehen, obwohl Pfizer über ihn persönlich mit 
Ehrfurcht redete. Und welch ein grober Partikularismus sprach aus dem 
Antrage. Wie heillos verfahren und verschroben war die deutsche Politik, 
wenn dieser Bewunderer Preußens, dieser Vorkämpfer der nationalen Ein- 
heit, der über die Nichtigkeit der kleinen Landtage so scharf und treffend 
urteilte, jetzt die württembergische Verfassung kurzerhand über das Bundes- 
recht stellte! Er empfand auch selbst den Widerspruch, er fühlte, daß er 
nur als Vertreter des Liberalismus unter seinen Landsleuten Ansehen 
gewinnen konnte, und gestand offen: „Ich wollte diejenigen, welche mich 
falsch beurteilten, überzeugen, daß die Einheit Deutschlands, welche ich 
wünsche, die Einheit des Rechtes und der Freiheit ist, und daß ich die 
Einheit des gesamten Deutschlands nicht um den Preis der Unterdrückung 
und Vernichtung der einzelnen deutschen Länder erkauft wissen möchte.“ 
Solange die deutschen Staaten souverän waren und ein deutscher Reichstag 
nicht bestand, durften die Landtage mit Recht verlangen, daß die Minister 
ihnen nötigenfalls auch wegen der nach Frankfurt erlassenen Weisungen 
Rede stehen müßten; aber Pfizer ging weiter, er wollte die Bundesgesandten 
Württembergs nur dann als rechtmäßige Vertreter des Landes gelten 
lassen, wenn ihnen ihre Aufträge mit Zustimmung der Landstände erteilt 
würden. Das hieß die deutsche Zentralgewalt den Befehlen eines Dutzends 
kleiner Landtage unterwerfen, und erschien um so gefährlicher, da Pfizer 
sogar das allen Bundesfürsten teuere „monarchische Prinzip“ der Bundes- 
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