292 IV. 5. Wiederbefestigung der alten Gewalten.
gesetze als widerrechtlich angriff. Am Hofe war die Entrüstung maßlos,
und Schlayer zeigte sich gern bereit, dem Zorne des Monarchen über den
„vermessenen“ Antrag einen unerhört harten Ausdruck zu geben.
Nach einigen Tagen wurde die Kammer durch eine königliche Bot—
schaft aufgefordert, „mit Rücksicht auf die Würde des Königs und seiner
Bundesgenossen die Motion mit verdientem Unwillen zu verwerfen.“ Diese
Sprache klang sogar vielen Anhängern der Regierung, auch dem preu—
ßischen Gesandten, allzu stark, und die Opposition, die bisher nur über
eine starke Minderzahl geboten hatte, gewann plötzlich die Mehrheit. Nach-
dem Pfizer mit würdigen Worten sich verteidigt hatte, erklärte die Kammer
in einer Adresse, die aus Uhlands Feder stammte, daß sie ihre eigene
Freiheit und die Unverantwortlichkeit ihrer Mitglieder feierlich verwahren
müsse „gegen die vorgreifende Einschreitung in den gemessenen Gang un—
serer Verhandlungen, eine Einschreitung, wodurch uns für die erwartete
Beschlußnahme selbst die Gemütsstimmung angesonnen wird.“ Neun
Tage nachher, am 22. März, erfolgte die Auflösung des Landtags, unter
allen Zeichen der Ungnade, und der König sagte zu dem österreichischen
Gesandten: einmal wolle er es noch mit einer Kammer versuchen, doch
scheine es fast unmöglich, mit diesen Leuten zu regieren.)
Der vergebliche Landtag, wie das Volk ihn fortan nannte, über-
strahlte mit dem Glanze seiner Beredsamkeit alle anderen Ständever-
sammlungen Württembergs; doch er schritt zum Angriff, wo eine schlichte
Rechtsverwahrung vollauf genügte, er verbiß sich in diesen Kampf mit
einem Eigensinne, der lebhaft an die Haltung der Altrechtler erinnerte,
und für die Wohlfahrt des Landes leistete er nichts. Über den Angriffen
auf den Bundestag, über einer Fülle hochpolitischer Motionen wurde selbst
das verständige Ablösungsgesetz, das die Regierung zum Schrecken der
Grundherren vorgelegt hatte, fast vergessen. Nicht ohne Geschick wendete
sich eine Flugschrift „Der vergebliche Landtag Württembergs im Jahre
1833“, die vom Hofe aus zur Vorbereitung der Neuwahlen verbreitet
wurde, an den praktischen Verstand der kleinen Leute und verglich die
Unfruchtbarkeit dieser landständischen Verhandlungen mit allen den unbe-
streitbaren Wohltaten, welche die sparsame, geordnete Verwaltung dieser
fünfzehn Jahre dem Lande gebracht hatte. Den Gegnern suchte man mit
allen Mitteln die Verteidigung zu erschweren: gegen eine Schrift des nach
Straßburg entflohenen Liberalen Elsner wurden schon im voraus poli-
zeiliche Maßregeln getroffen, weil sie „voraussichtlich in entschieden revolu-
tionärem Sinne“ gehalten sein würde.““) Auch auf den Beistand der
beiden Großmächte konnte die Regierung zählen. Der König von Preußen
nahm, minder gerecht als sein Gesandter, an der leidenschaftlichen Heftigkeit
*) Salviatis Bericht, 23. März 1833.
7#) Beroldingen, Weisung an Bismarck, 29. März 1833.