298 IV. 5. Wiederbefestigung der alten Gewalten.
Leute dachte er die Garnison aufzuwiegeln und dann vielleicht den König
Wilhelm selbst zum Freiheitskampfe fortzureißen. Der Stuttgarter Buch-
händler Franckh erzählte ihm Wunderdinge von einer Pariser geheimen Ge-
sellschaft, die schon seit 1786 bestehe, einen Robespierre zu ihren Genossen
gezählt und alle europäischen Revolutionen seitdem veranlaßt habe.*) Er
versicherte zugleich, in Besancon stünden 400 Polen bereit, durch die
Schweiz in Baden einzubrechen, am Bodensee weilten schon zwanzig pol-
nische Offiziere, die den Aufruhr im Schwarzwald leiten sollten. In der
Tat hatte ein anderer Verschwörer, der Frankfurter Dr. Gärth inzwischen
mit diesen Polen unterhandelt und sie zu jeder Tollheit willig gefunden.
Am rührigsten unter allen zeigte sich Rauschenplatt; er machte seinem
Katernamen Ehre, tauchte bald hier, bald dort in den mitteldeutschen
Städten auf und verschwand spurlos, sobald die Häscher den längst steck-
brieflich Verfolgten ergreifen wollten. Man hoffte im Frühjahr 1833 an
mehreren Stellen zugleich loszubrechen; der erste Schlag sollte in Frank-
furt fallen, weil der Bundestag zuerst einer Züchtigung bedurfte und weil
die radikale Partei dort in den Maingegenden auf einen starken Anhang
rechnete. In Homburg besaß sie an den Brüdern Breidenstein zwei tätige
Helfer, in der Wetterau hatte sich Weidig einen Stamm gläubiger Schüler
erzogen; in dem Gießener Lesevereine gaben der Anwalt Paul Follen, der
Bruder Karls, und dessen Schwager, der Professor der Medizin Vogt, des
Naturforschers Vater, den Ton an; in Nassau verwünschte jedermann den
allmächtigen Minister Marschall; im Odenwalde murrten die Bauern der
Standesherrschaften über die doppelte Steuerlast.
In Frankfurt selbst zeigten sich die kleinen Leute ebenfalls erbittert.
Sie hatten nach der großen Woche durch Flugschriften und Petitionen um
Preßfreiheit und Offentlichkeit ihres gesetzgebenden Körpers, aber auch
nach Pfahlbürgerbrauch um „kräftigen Nahrungs= und Gewerbsschutz“
gegen das deutsche Ausland gebeten und im Herbst 1831 sogar ein kleines
Nachspiel der Juli-Revolution aufgeführt, weil die Torsperre während der
Weinlese gar so streng eingehalten wurde. Dabei war Blut geflossen,
und seitdem wurde auf die Roheit der Liniensoldaten, auf die zugleich
schlaffe und hochmütige Vetternherrschaft der „Römerherren“, wie man
die Senatoren nannte, weidlich geschimpft. Von den jungen Männern
der gebildeten Stände gehörten einige zu dem verbotenen Preßvereine, der
jetzt unter den Augen des Bundestags sein geheimes Hauptquartier auf-
geschlagen hatte und in kräftigen Flugschriften beharrlich erklärte: die Fürsten
hätten ihr Wort gebrochen, folglich sei das Volk auch seiner Eide entbunden.
Aus solchen Anzeichen einer allerdings vorhandenen, aber ganzohnmächtigen
Mißstimmung schlossen nun Rauschenplatt und seine Leute, daß ein glücklicher
*) Berichte des Gouverneurs von Ludwigsburg über das Verhör des Lt. Koseritz,
25. Mai 1833 ff.