318 IV. 5. Wiederbefestigung der alten Gewalten.
Deutschland, daß in dieser Westmark, wo alle Welt des Deutschen Bundes
spottete, mindestens die schwarzweiße Fahne noch verhaßt und gefürchtet
blieb. Der Sohn eines holländischen Generals und bis zum Jahre 1806
selbst holländischer Offizier, war Dumoulin im preußischen Dinste bald
ganz zum Deutschen geworden; er hatte sich in den schweren napoleonischen
Zeiten das Vertrauen Gneisenaus erworben und dann bei der Erhebung
Deutschlands wacker mitgeholfen. Sein neues Amt übernahm er mit
dem Bewußtsein, daß ihm die Grenzhut des Vaterlandes anvertraut sei;
er führte die Geschäfte des Gouvernements, da der Gouverneur, der
tapfere alte Landgraf Ludwig von Hessen-Homburg, nach Fürstenbrauch
den größten Teil des Jahres auf Reisen verbrachte, und erschreckte die
Belgier durch seine genaue Kenntnis der niederländischen Verhältnisse,
die Diplomaten des Bundestags durch den soldatischen Freimut seiner
Berichte.
Und welch eine Aufgabe hatte er zu lösen! Neun Jahre lang blieb
die Festung in beständigem Belagerungszustande, rings von Feinden ein-
geschlossen. Für die Garnison freilich erzwang sich der General den freien
Verkehr mit Trier und dem heimatlichen Hinterlande, aber auch nur für
die Garnison; jeder Warenballen, der an die Einwohner einging, unterlag
den belgischen Zöllen und wurde von den Zollbeamten der Rebellen mit
berechneter Bosheit mißhandelt. Handel und Wandel stockten gänzlich; die
Wirksamkeit der Rechtspflege endete an den Grenzen des Festungsrayons,
da der Bundestag die Behörden der Belgier nicht anerkannte; selbst der
Postverkehr mit Deutschland hörte auf, und Dumoulin mußte die Briefe
der Einwohner durch seine Ordonnanzen befördern lassen. An die alten
Wälle, die in gewaltigen Zickzacklinien die Felsentäler der Elze und des
Petrusbachs überragten, wagten sich die Belgier nicht heran; dafür ver-
suchten sie durch schlechte Künste Verräterei anzuzetteln. Bald mußte
der General einen Belgier, der einen preußischen Soldaten zur Desertion
verleiten wollte, ausprügeln lassen — was nach Kriegsrecht erlaubt war
und sehr heilsam wirkte, bald eine Brigade belgischer Zollwächter im
Festungsbezirke gefangen nehmen, bald die Milizaushebungen der Belgier
untersagen oder ihren Holzfreveln steuern. Dazu von hüben und drüben
beständige Versuche, Freikorps zu bilden; wiederholte Verhaftungen, heute
von der einen, morgen von der anderen Seite angefochten; und ein wider-
wärtiger Briefwechsel mit dem belgischen Militärgouverneur General Tabor
in Arlon, der erst nach scharfen Zurechtweisungen einsah, daß man einen
preußischen General nicht ebenso schnöde behandeln durfte wie den Deutschen
Bund. Aber auch der holländische Zivilgouverneur in der Festung selbst,
General Gödecke, machte dem tapferen Preußen zu schaffen; er begünstigte
erst unter der Hand die Umtriebe der kleinen oranischen Partei, dann
verlangte er Schonung für die gefangenen Belgier, da sein König noch
immer hoffte, die meuterische Provinz durch Güte zu gewinnen; dann for-