Luxemburg und die Westmächte. 319
derte er gar Bezahlung für die preußische Einquartierung. Selbst der
Bundestag beschwerte sich, weil die preußischen Ingenieure im Angesichte
des Feindes die Festungswerke verstärkten, und es währte lange, bis er
diese außerordentlichen Ausgaben genehmigte.“) Das Tollste blieb doch,
daß der Bund sich über ein Rayonsgesetz für die Bundesfestungen noch
immer nicht hatte einigen können. Der Kommandant mußte also eigen-
mächtig die Abgrenzung des Festungsrayons bestimmen. Als er sich durch
die beharrlichen Neckereien der Belgier genötigt sah, das Festungsgebiet bis
auf einen Umkreis von vier Stunden zu erweitern, da erhob die Bundes-
versammlung Bedenken, und der General antwortete kurzab, diesmal
könne er seinen Frankfurter Vorgesetzten nicht gehorchen.
Um die Verwirrung zu vollenden, mischten sich auch noch die West-
mächte ein. Da der Bundestag die Bevollmächtigten des noch nicht an-
erkannten Königs der Belgier mehrmals zurückgewiesen hatte, so betrach-
teten sich England und Frankreich als die natürlichen Vertreter ihres
Schützlings. Alleye und Cartwright erhoben eine Beschwerde nach der
anderen über angebliche Übergriffe des luxemburgischen Kommandanten
und schlugen dabei wieder jenen rohen, zankenden Ton an, der ihnen schon
bei dem Frankfurter Streite so übel bekommen war. Es war, als wollten
sie nochmals der Welt beweisen, was von der gerühmten Zivilisation des
Westens zu halten sei. Als Dumoulin einige belgische Soldaten aus dem
Gebiete der deutschen Bundesfestung ausgewiesen hatte, da meinte der
Engländer, „eine solche Tat launischer Willkür könne sich nur auf das
Recht des Stärkeren stützen“; und als die Aushebung der belgischen Milizen
im Festungsgebiete untersagt wurde, da erklärte Alleye: „die französische
Regierung hat Grund zu der Befürchtung, daß General Dumoulin und
seine Anstifter absichtlich einen Zusammenstoßherbeiführen wollten.“?F) Und
nicht genug, daß die beiden das sonnenklare Recht mit dreister Stirn
bestritten; sie traten auch allen diplomatischen Brauch mit Füßen. Sie
unterstanden sich, dem Kommandanten von Luxemburg unmittelbar ihre
Beschwerden einzusenden; und obwohl sie wußten, daß der Bundestag
nach seiner Geschäftsordnung nur Verbalnoten von den fremden Ge-
sandten annehmen durfte, so versuchten sie doch immer wieder mit dem
präsidierenden Gesandten Münch persönlich zu unterhandeln, ja Alleye hatte
einmal die Unverschämtheit, eine vorgebliche mündliche Außerung Münchs
dem Bundestage vorzuhalten mit der Bemerkung: das sei so gut wie ein
Ehrenwort! Das freche Treiben der zwei Diplomaten des Westens währte
jahrelang. Doch mit diesen wohlbekannten Störenfrieden wußte selbst der
Bundestag fertig zu werden; er gab immer nur kurze abweisende Er-
*) Naglers Berichte, 28. Dez. 1831, 24. Jan., 10. März, 8. Mai 1832.
*“) Verbalnoten an Münch, von Cartwright, 25. Sept. 1833, von Alleye, 26. Fe-
bruar 1834.