338 IV. 5. Wiederbefestigung der alten Gewalten.
Grenzen der Bundesgewalt allzu weit auseinander gingen, und beruhigte
sich stillschweigend bei der angenehmen Erwartung, daß im Deutschen
Bunde niemals ein wirksamer Beschluß zustande kommen könne. Diese
Hoffnung sprach der hannöversche Bundesgesandte Stralenheim im Namen
seiner wohlmeinenden Regierung sehr aufrichtig aus: wenn man nur die
Großmächte nicht reize, sondern „dilatorisch“ verfahre, sowürden die Landes-
verfassungen wohl unerschüttert und die neue Wiener Ministerversammlung
ebenso ergebnislos bleiben wie einst die alte vom Jahre 1820.-)
Inzwischen hielt Metternich doch für nötig, sich mindestens der Zu-
stimmung des Münchener Hofes zu versichern, der so oft schon durch seine
Vorbehalte die Bundespolitik der Hofburg erschwert hatte; und wieder,
wie vor neun Jahren bei der Verlängerung der Karlsbader Beschlüsse,
glückte es ihm, den König von Bayern zu einer persönlichen Zusammen-
kunft zu bewegen. Als er im Oktober zu Linz mit König Ludwig zu-
sammentraf, fand er freundliches Entgegenkommen. Der König war noch
immer erbittert über seinen unbotmäßigen Landtag und erklärte sich gern
bereit, „das monarchische Prinzip“ inden Landesverfassungen zu verstärken;
nur wollte er — und dies war auch Preußens Wunsch — die Konferenz
lieber in Prag oder Linz als in Wien zusammentreten sehen.“*) Der
Staatskanzler aber konnte sich nicht auf so lange Zeit von seinem Amte
entfernen, und so erlebte denn Kaiser Franz im Januar 1834 die Genug-
tuung, daß sich die leitenden Staatsmänner Deutschlands als Vertreter
der siebzehn Stimmen des engeren Rates, wie wenn er ihr Kaiser wäre,
in seiner Hofburg einfanden. Zu einem fröhlichen reaktionären Staats-
streiche Karlsbader Stiles war die Zeit freilich nicht angetan; denn mehr
als eine Verständigung über konservative Gemeinplätze hatte Metternich
in Linz nicht erreicht, und da er selber keinen bestimmten Plan verfolgte,
sondern lediglich, ohne die Mittel und Wege zu übersehen, die unheimliche
Macht der kleinen Landtage eindämmen wollte, so konnte es nicht fehlen,
daß die Kraft der Trägheit, der Partikularismus und die Verfassungstreue
der konstitutionellen Höfe seinem Unternehmen bald den Stachel nahmen.
Die Parteistellung gestaltete sich diesmal anders als auf der ersten
Wiener Konferenz vor vierzehn Jahren. Metternich selbst war durch die
Niederlagen der letzten Jahre, nach überstandenem erstem Schrecken, nicht
gebeugt, sondern nur in seiner Selbstgerechtigkeit bestärkt worden. Alles
hatte er vorher gewußt, alles vorausgesagt. Erfroren in Dünkel blickte
er auf die kleinen Sterblichen nieder und sagte zu Varnhagen, als dieser
ihm seine untertänige Aufwartung machte: ich bin der Mann der Wahr-
heit, seit fünfundzwanzig Jahren habe ich nichts zu bereuen. Mit seinem
Amte war er jetzt so fest verwachsen, daß er den Fall seines Rücktrittes
*) Türckheim an Blittersdorff, 21. Nov., Blittersdorffs Bericht, 21. Nov. 1833.
*#) Dönhoffs Bericht, München, 2. Dez. 1833.