Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Vierter Teil. Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. (27)

30 IV. 1. Die Juli-Revolution und der Weltfriede. 
auf die aufgeklärtesten Grundsätze der Staatskunst begründeten“ Bundes 
der Westmächte, und die alleinseligmachende Kraft „jener constitutional 
rights, die ein Segen sind für die Völker und ein Ärgernis für ihre 
Nachbarn: wenn nur erst die Formen da sind, findet sich allmählich 
der Geist hinein!“ Die hohlsten Schlagworte des festländischen Libera— 
lismus waren ihm willkommen, wenn sie ihm zur Verleumdung der 
absoluten Kronen dienen konnten. Er war einst im Ministerrate selber 
bei den diplomatischen Verhandlungen des Jahres 1813 tätig gewesen und 
schämte sich doch nicht, dem Parlamente das Zeitungsmärchen zu wiederholen: 
damals seien die Völker, „aufgeweckt durch den Zauberklang konstitutio— 
neller Rechte,“ freiwillig unter die Waffen getreten und dann von ihren 
Despoten betrogen worden. Palmerston hatte sich das Los des Schau— 
spieler Samuel Johnsons erwählt: er lebte, um zu gefallen und mußte 
gefallen, um zu leben; und schwer war es nicht, die tiefe Unkenntnis 
festländischer Dinge, welche die Briten jederzeit auszeichnete, nach Be— 
lieben zu mißbrauchen. Das Unterhaus lauschte entzückt, wenn der 
liebenswürdige Schalk ihm erzählte, wie weit Preußen und das geknechtete 
Osteuropa hinter den freien Spaniern und Portugiesen zurückständen; 
denn „die große spanische Nation versucht, wenn auch nur von fern 
(though at a distance), dem stolzen Beispiel dieses Landes nachzu- 
eifern!“ 
So trat denn dem legitimistischen Doktrinarismus der Hofburg 
eine demagogische Tendenzpolitik entgegen, die ebenso gemeinschädlich und 
noch um vieles unredlicher war; denn Metternich fürchtete sich wirklich 
vor der Revolution, während Palmerston mit seinen konstitutionellen 
Kraftworten nur arglistig spielte. Die ersten Erfolge dieser seltsamen 
Staatskunst waren glänzend. Es gelang ihr in der Tat, den Kontinent 
dermaßen in Unruhe zu halten, daß England unterdessen sein Weltreich 
ungestört ausbauen konnte. Es gelang ihr auch, die Parteien des Fest- 
landes durch das beharrlich wiederholte dünkelhafte Selbstlob der libe- 
ralen Westmächte völlig zu betören; Europa zerfiel, zu seinem Unheil 
aber zu Englands Vorteil, zehn Jahre hindurch in die zwei Heerlager 
der konstitutionellen und der absoluten Kronen, die Liberalen begrüßten 
ihren old Pam und das wiedergeborene Frankreich als die Schirmherren 
der Freiheit, während die Staatsmänner der Ostmächte das diplomatische 
Allerweltsschwefelholz, den Lord Feuerbrand, verwünschten. 
Den Staaten, wie den Männern, wird die Mitwelt selten gerecht; 
immer sind einzelne Staaten besser, andere schlechter als ihr Ruf. Zu 
jenen zählen die jungen Mächte, welche die öffentliche Meinung Europas 
noch nicht beherrschen und das Recht ihres Daseins erst zu erweisen 
haben; zu diesen die alten Mächte, vornehmlich England, das bei der 
Enthüllung seiner diplomatischen Geschichte nur verlieren kann und darum 
auch die Schätze seiner Archive ängstlicher als irgendein anderer Staat
	        
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