30 IV. 1. Die Juli-Revolution und der Weltfriede.
auf die aufgeklärtesten Grundsätze der Staatskunst begründeten“ Bundes
der Westmächte, und die alleinseligmachende Kraft „jener constitutional
rights, die ein Segen sind für die Völker und ein Ärgernis für ihre
Nachbarn: wenn nur erst die Formen da sind, findet sich allmählich
der Geist hinein!“ Die hohlsten Schlagworte des festländischen Libera—
lismus waren ihm willkommen, wenn sie ihm zur Verleumdung der
absoluten Kronen dienen konnten. Er war einst im Ministerrate selber
bei den diplomatischen Verhandlungen des Jahres 1813 tätig gewesen und
schämte sich doch nicht, dem Parlamente das Zeitungsmärchen zu wiederholen:
damals seien die Völker, „aufgeweckt durch den Zauberklang konstitutio—
neller Rechte,“ freiwillig unter die Waffen getreten und dann von ihren
Despoten betrogen worden. Palmerston hatte sich das Los des Schau—
spieler Samuel Johnsons erwählt: er lebte, um zu gefallen und mußte
gefallen, um zu leben; und schwer war es nicht, die tiefe Unkenntnis
festländischer Dinge, welche die Briten jederzeit auszeichnete, nach Be—
lieben zu mißbrauchen. Das Unterhaus lauschte entzückt, wenn der
liebenswürdige Schalk ihm erzählte, wie weit Preußen und das geknechtete
Osteuropa hinter den freien Spaniern und Portugiesen zurückständen;
denn „die große spanische Nation versucht, wenn auch nur von fern
(though at a distance), dem stolzen Beispiel dieses Landes nachzu-
eifern!“
So trat denn dem legitimistischen Doktrinarismus der Hofburg
eine demagogische Tendenzpolitik entgegen, die ebenso gemeinschädlich und
noch um vieles unredlicher war; denn Metternich fürchtete sich wirklich
vor der Revolution, während Palmerston mit seinen konstitutionellen
Kraftworten nur arglistig spielte. Die ersten Erfolge dieser seltsamen
Staatskunst waren glänzend. Es gelang ihr in der Tat, den Kontinent
dermaßen in Unruhe zu halten, daß England unterdessen sein Weltreich
ungestört ausbauen konnte. Es gelang ihr auch, die Parteien des Fest-
landes durch das beharrlich wiederholte dünkelhafte Selbstlob der libe-
ralen Westmächte völlig zu betören; Europa zerfiel, zu seinem Unheil
aber zu Englands Vorteil, zehn Jahre hindurch in die zwei Heerlager
der konstitutionellen und der absoluten Kronen, die Liberalen begrüßten
ihren old Pam und das wiedergeborene Frankreich als die Schirmherren
der Freiheit, während die Staatsmänner der Ostmächte das diplomatische
Allerweltsschwefelholz, den Lord Feuerbrand, verwünschten.
Den Staaten, wie den Männern, wird die Mitwelt selten gerecht;
immer sind einzelne Staaten besser, andere schlechter als ihr Ruf. Zu
jenen zählen die jungen Mächte, welche die öffentliche Meinung Europas
noch nicht beherrschen und das Recht ihres Daseins erst zu erweisen
haben; zu diesen die alten Mächte, vornehmlich England, das bei der
Enthüllung seiner diplomatischen Geschichte nur verlieren kann und darum
auch die Schätze seiner Archive ängstlicher als irgendein anderer Staat