382 IV. 6. Der Deutsche Zollverein.
Herrn Eichhorn! — Noch düsterer klingen seine Berichte vom Dezember
1833: „Der Zollverein ist ein Hauptnagel im Sarge des Deutschen Bun-
des.“ Herr Eichhorn will die Einheit Deutschlands durch Separatverträge
erreichen, mit Ausschluß Osterreichs, das, wie man in Berlin stets be-
hauptet, uns nur Opfer auferlegt. Preußen übernimmt jetzt die Führung
der positiven Politik Deutschlands, Osterreich behält nur noch die formelle
Leitung. Vielleicht kann im Deutschen Bunde nur dann ein neues Leben
erwachen, wenn Preußen an die Spitze träte, und Ssterreich sich auf ein
Schutz= und Trutzbündnis beschränkte, „wozu aber wenig Aussicht vor-
handen ist.“ Vielleicht werden durch diese Wendung die Repräsentativ-
verfassungen ihre Bedeutung für die Bundespolitik verlieren, und ganz
andere Fragen in den Vordergrund treten — jene Machtfragen, die
schon auf dem Wiener Kongresse auftauchten!*) Und derselbe Mann, der
mit so scharfem Auge in das Dunkel der Zukunft blickte, hat gleichwohl
dem hereinbrechenden Schicksal mit seiner ganzen Kraft sich entgegen-
gestemmt; er hat noch im November 1847 vorgeschlagen, die Hofburg
solle die politische Führung des Zollvereins antreten, da sie die staats-
wirtschaftliche Leitung allerdings nicht übernehmen könne!
Ahnliche Sorgen regten sich in OÖsterreich selbst. Jetzt erst begann
das starre Greisenregiment zu Wien die folgenschwere Bedeutung der preu-
ßischen Handelspolitik zu ahnen, die man bisher wohl aufzuhalten, doch
nicht mit voller Kraft zu bekämpfen gewagt hatte. Und auch jetzt noch
erhob sich die staunenswerte Gedankenarmut des Nestors der europäi-
schen Diplomatie nur zu Angstrufen, Warnungen und kleinen Ränken,
nicht zu irgendeinem ausführbaren Gegenplane. Seit nahezu zwanzig
Jahren verhandelten Bayern und Österreich über Handelserleichterungen.
Immer vergeblich. Daß solche Zugeständnisse nur durch Gegenleistungen
zu erlangen sind, war den Köpfen der k. k. Hofräte nicht beizubringen.
Die Agenten Österreichs in München pflegten dann am lebhaftesten um
Bayerns freundnachbarliche Gefälligkeit zu bitten, wenn das k. k. Prohibi-
tivsystem den Verkehr der Nachbarn recht empfindlich geschädigt hatte.
So wurde im Jahre 1829 die Getreideeinfuhr aus Bayern, die den
Tyrolern unentbehrlich war, mit erhöhten Zöllen belegt, und gleich darauf
verlangte man in München die Herabsetzung der bayrischen Zölle. Im
Jahre 1832, als die Zollvereinsverhandlungen schwebten, kam der Hof-
rat von Münch, ein Bruder des Bundestagsgesandten, nach München,
um den Verlauf zu beobachten und durch das Anerbieten eines bayrisch-
österreichischen Handelsvertrags den Abschluß der Berliner Verträge zu
hintertreiben. Er riet dringend, nicht über den Handelsvertrag, der seit
1829 den Süden mit Preußen verband, hinauszugehen; alle Vorteile
eines preußischen Zollvereins würden überboten durch einen Handelsvertrag
—
*) Blittersdorffs Berichte, 23. Aug. 1833 ff.