Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Vierter Teil. Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. (27)

OÖsterreichs Gegenbestrebungen. 383 
mit Österreich. Schärfer befragt, verlangte er für Osterreich wesent- 
liche Vergünstigungen, so die Herabsetzung der Zölle auf das böhmische 
Eisen; irgend nennenswerte Gegenleistungen hatte er nicht zu bieten. 
Eine Denkschrift, welche Münch dem König von Bayern insgeheim 
überreichte, zeigt alle Charakterzüge der k. k. Handelspolitik: maßlose staats- 
wirtschaftliche Unwissenheit, gänzlichen Mangel an positiven Gedanken 
und daneben eine dreiste Pfiffigkeit, die nicht ohne Geschick auf die per- 
sönlichen Schwächen König Ludwigs baut. Da wird bewiesen, wie die 
bayrische Industrie und die Mainschiffahrt durch den Zollverein not- 
wendig vernichtet werden müssen: — Bayerns Fabriken nahmen aber erst 
seit dem Berliner Vertrage von 1829 einen neuen Aufschwung. Des- 
gleichen, daß Süddeutschland bekanntlich weit mehr konsumiere als der 
Norden; daher werde Bayern in einem Zollvereine beständig an Preußen 
herauszahlen müssen; und welche schreckliche Teuerung drohe in den wohl- 
feilen Guldenländern einzureißen, sobald man den Verkehr mit den Taler- 
ländern frei gebe! Lists alter Genosse Miller von Immenstadt, dem die 
oberdeutschen Kronen ein Gutachten über die Denkschrift abforderten, be- 
merkte zu diesem Satze: „Nichts beweist schlagender, wie wenig man über 
die Mittel verlegen ist, wenn man sich zum Zwecke macht zu täuschen.“ 
Dann führt Münch aus: Preußen besitze keinen eigentlichen Handel; Zoll- 
sätze wie die preußischen seien mit schwunghaftem Handel unvereinbar; 
Bayern dagegen könne bald durch den Donau-Main-Kanal den gesamten 
Durchfuhrhandel zwischen England und dem Schwarzen Meere an sich 
ziehen und zum einzigen Vermittler des wichtigen griechischen Verkehrs 
mit dem Westen werden. — Eben in jenen Tagen standen die helleni- 
schen Träume König Ludwigs in ihrer Blüte; und wie sollte der Fürst, 
der als glücklicherer Nachfolger Karls des Großen den welthistorischen 
Wasserweg zwischen Main und Donau erbaute, die ungeheure Bedeutung 
des bayrisch-griechischen Handels verkennen? Freilich der Bau des Lud- 
wigskanals wurde erst ein Jahrzehnt später beendigt, und die Donau 
in Österreich war weder ganz frei noch wirklich schiffbar. Darum schienen 
die lockenden Aussichten, welche Münch eröffnete, dem Könige von Bayern 
doch allzu unsicher; er verhandelte weiter mit dem Osterreicher, ließ aber 
zugleich die Unterhandlungen in Berlin nicht abreißen. Vollends die po- 
litischen Warnungen der österreichischen Denkschrift mußten in München 
und Stuttgart verwundertes Kopfschütteln erregen. Münch versicherte, 
der Zollverein arbeite den Demagogen in die Hände, sei „das beste Mittel, 
die Regierungen überflüssig zu machen“ — und fast im selben Augen- 
blicke verschworen sich zu Pforzheim die Liberalen gegen die Handelspolitik 
des preußischen Absolutismus.“) Sobald die Nachricht einlief, daß Mieg 
*) Münch, Denkschrift über einen bayrisch-österreichischen Handelsvertrag. „Be- 
merkungen“ dazu vom Obersteuerrat von Miller (durch Fahnenberg dem Karlsruher 
Hofe mitgeteilt, 1. März 1833) 
 
	        
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