Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Vierter Teil. Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. (27)

Metternichs Denkschrift über den Zollverein. 385 
„daß die Beziehungen Österreichs zu den anderen deutschen Bundes- 
staaten, bei wechselseitig allem Verkehr und Handel geschlossenem Gebiet 
und bei so künstlichem Bemühen, diese materielle Abgeschlossenheit zur 
politischen und moralischen zugleich zu stempeln, auf die Länge erschlaffen 
und ganz abreißen werden.“ 
„Der preußische Zollverein“ — so fährt die Denkschrift fort — „ist 
unzweifelhaft ein wohlbewußt kräftiges Werkzeug in den Händen der Be- 
wegungspartei in Preußen, zur Beförderungder sichwechselseitig bedingenden 
Umkehr in Preußen und in dem übrigen Deutschland. Von dem Augenblick 
an, in welchem die Idee, den Plänen der preußischen Finanzmänner ent- 
sprungen, in das Leben zu treten begann, bemerkten die Männer der Faktion 
in diesem Lande sehr schnell den Vorteil, den sie aus derselben würden ziehen 
können. Die Partei hatte, im Falle der Verwirklichung ihrer Plane, ihr 
wahres Ziel erreicht: Preußen mit einer neu repräsentativen Verfassung 
an der Spitze des übrigen konstitutionellen Deutschlands. Der Zollverein 
hat daselbst in der neueren Zeit aufrichtige entschiedene Anhänger und 
Beförderer hauptsächlich in den eigentlichen Männern der Bewegung ge- 
funden. Allerdings aber haben diese ihre Sache so geschickt an die Stelle 
der Sache des Staates zu setzen und letztere auf so vielfache Weise in 
das neue System zu verweben gewußt, daß auch eine veränderte preußische 
Staatsverwaltung sich jetzt ohne Kompromission nicht mehr herauszuwinden 
imstande sein und immer mehr oder weniger in der Notwendigkeit bleiben 
würde, die Farben Preußens zur Verhüllung von Ideen herzugeben, die 
im wesentlichen gegen den Gedanken des Bundes gerichtet sind.. Das 
monarchische Interesse des preußischen Thrones vereinigt sich mit jenem 
Österreichs und des Deutschen Bundes . gegen ein so bedenkliches und 
unnatürliches Werk.“ — Die Wahlverwandtschaft zwischen „der höchst ge- 
fährlichen Lehre der deutschen Einheit“ und dem Zollvereine, die schon im 
Jahre 1820 der besorgte Marschall seinem Gönner geschildert, war mithin 
endlich auch dem Staatskanzler klar geworden. Und nunmehr, zum ersten- 
mal nach fünfzehn Jahren, verfiel Metternich auf die Frage, ob nicht Öster- 
reich selbst etwas tun könne zur Beförderung des deutschen Verkehrs. 
Doch wie läßt sich helfen? Ein Recht einzuschreiten besitzt der Bund 
leider nicht. Ein offener Bruch mit Preußen „liegt nicht in den Absichten 
und nicht in der Politik Osterreichs“. Also bleibt, da der mitteldeutsche 
Verein leider zerfallen ist, nur übrig, jenen Art. 19 der Bundesakte, 
welcher Beratungen des Bundestags über die Handelssachen verheißt, 
endlich auszuführen! „Nur in dem Einverständnis aller liegt ein Mittel, 
die einseitig-eigennützigen Pläne einzelner zu paralysieren.“ — Klingt es 
nicht wie ein Märchen, daß der k. k. Staatskanzler in dem Augerblicke, 
da der Machtstellung seines Staates eine furchtbare Gefahr drohte, nur 
auf den armseligen Einfall kam, noch einmal jenes harmlose Steckenpferd 
zu reiten, das die Staatsweisen der Wiener Konferenzen schon dreizehn 
v. Treitschke, Deutsche Geschichte. IV. 25
	        
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