Metternichs Denkschrift über den Zollverein. 385
„daß die Beziehungen Österreichs zu den anderen deutschen Bundes-
staaten, bei wechselseitig allem Verkehr und Handel geschlossenem Gebiet
und bei so künstlichem Bemühen, diese materielle Abgeschlossenheit zur
politischen und moralischen zugleich zu stempeln, auf die Länge erschlaffen
und ganz abreißen werden.“
„Der preußische Zollverein“ — so fährt die Denkschrift fort — „ist
unzweifelhaft ein wohlbewußt kräftiges Werkzeug in den Händen der Be-
wegungspartei in Preußen, zur Beförderungder sichwechselseitig bedingenden
Umkehr in Preußen und in dem übrigen Deutschland. Von dem Augenblick
an, in welchem die Idee, den Plänen der preußischen Finanzmänner ent-
sprungen, in das Leben zu treten begann, bemerkten die Männer der Faktion
in diesem Lande sehr schnell den Vorteil, den sie aus derselben würden ziehen
können. Die Partei hatte, im Falle der Verwirklichung ihrer Plane, ihr
wahres Ziel erreicht: Preußen mit einer neu repräsentativen Verfassung
an der Spitze des übrigen konstitutionellen Deutschlands. Der Zollverein
hat daselbst in der neueren Zeit aufrichtige entschiedene Anhänger und
Beförderer hauptsächlich in den eigentlichen Männern der Bewegung ge-
funden. Allerdings aber haben diese ihre Sache so geschickt an die Stelle
der Sache des Staates zu setzen und letztere auf so vielfache Weise in
das neue System zu verweben gewußt, daß auch eine veränderte preußische
Staatsverwaltung sich jetzt ohne Kompromission nicht mehr herauszuwinden
imstande sein und immer mehr oder weniger in der Notwendigkeit bleiben
würde, die Farben Preußens zur Verhüllung von Ideen herzugeben, die
im wesentlichen gegen den Gedanken des Bundes gerichtet sind.. Das
monarchische Interesse des preußischen Thrones vereinigt sich mit jenem
Österreichs und des Deutschen Bundes . gegen ein so bedenkliches und
unnatürliches Werk.“ — Die Wahlverwandtschaft zwischen „der höchst ge-
fährlichen Lehre der deutschen Einheit“ und dem Zollvereine, die schon im
Jahre 1820 der besorgte Marschall seinem Gönner geschildert, war mithin
endlich auch dem Staatskanzler klar geworden. Und nunmehr, zum ersten-
mal nach fünfzehn Jahren, verfiel Metternich auf die Frage, ob nicht Öster-
reich selbst etwas tun könne zur Beförderung des deutschen Verkehrs.
Doch wie läßt sich helfen? Ein Recht einzuschreiten besitzt der Bund
leider nicht. Ein offener Bruch mit Preußen „liegt nicht in den Absichten
und nicht in der Politik Osterreichs“. Also bleibt, da der mitteldeutsche
Verein leider zerfallen ist, nur übrig, jenen Art. 19 der Bundesakte,
welcher Beratungen des Bundestags über die Handelssachen verheißt,
endlich auszuführen! „Nur in dem Einverständnis aller liegt ein Mittel,
die einseitig-eigennützigen Pläne einzelner zu paralysieren.“ — Klingt es
nicht wie ein Märchen, daß der k. k. Staatskanzler in dem Augerblicke,
da der Machtstellung seines Staates eine furchtbare Gefahr drohte, nur
auf den armseligen Einfall kam, noch einmal jenes harmlose Steckenpferd
zu reiten, das die Staatsweisen der Wiener Konferenzen schon dreizehn
v. Treitschke, Deutsche Geschichte. IV. 25