Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Vierter Teil. Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. (27)

386 IV. 6. Der Deutsche Zollverein. 
Jahre zuvor so lange getummelt hatten, bis es zerbrach? — Hannover, 
fährt Metternich fort, diese „von einem vorzüglichen föderativen Geiste 
beseelte“ Regierung, hat bereits dem Bunde Anträge in diesem Sinne 
gestellt. Der Bundestag muß die Freiheit des Durchfuhrhandels be- 
schließen. Das wird für Österreich geringe Schwierigkeiten bieten, da 
mir der Hofkammerpräsident Klebelsberg versichert hat, daß unsere Gesetze 
über den Transit sehr liberal sind. Ein durchschlagender Erfolg gegen 
Preußen steht von einem solchen Beschlusse freilich nicht zu erwarten. 
„Einc desto eindringlichere Waffe zur Bekämpfung des preußischen Zoll- 
systems“ bietet der zweite hannöversche Antrag auf Befreiung des Verkehrs 
zwischen den Bundesstaaten. Wenn der Bundestag beschlösse, daß in allen 
deutschen Staaten die Einfuhr aus anderen Bundesstaaten vor der Einfuhr 
des Auslandes begünstigt würde, so wäre „dem preußischen Zollsystem der 
empfindlichste Stoß versetzt“. Dazu aber ist notwendig eine Ermäßigung 
des k. k. Mautsystems „bis zu dem Punkte, der uns in den Stand setze, 
mit den übrigen deutschen Bundesstaaten unter Anerbietung der Reziprozität 
über den Vollzug des Art. 19 in Verhandlung zu treten.“ 
So wenig begriff man in Wien, worauf es ankam in unsern handels- 
politischen Kämpfen! Daß der ganze Wert des Zollvereins in der Auf- 
hebung der Binnenmauten lag; daß der mitteldeutsche Verein eben darum 
untergegangen war, weil er diese Befreiung des deutschen Marktes nicht 
wagte; daß der preußische Handelsbund nur überboten werden konnte 
durch den Plan eines noch größeren Zollvereins — alle diese Wahrheiten, 
die bereits von dem kleinsten thüringischen Kabinette durchschaut wurden, 
waren der österreichischen Staatsweisheit noch nicht aufgegangen. Die 
deutschen Staaten, so hoffte Metternich, sollten die unermeßlichen Vor- 
teile des freien vaterländischen Marktes dahingeben für die kümmerliche 
Aussicht, daß ihre Landesprodukte an den Schlagbäumen von dreißig 
deutschen Staaten milder behandelt würden als die Waren des Auslands! 
Und selbst dieser schwächliche Gedanke des Staatskanzlers drang in Wien 
nicht durch, nicht weil man die Halbheit verworfen hätte, sondern weil 
der Plan dem Stumpfsinne des Hofes noch allzu kühn erschien. Präsident 
Krieg hatte eine Herabsetzung der Zölle nach Preußens Muster vorge- 
schlagen, und seit dem Mai 1833 verweilte bereits der österreichische Geh. 
Rat Binder in Berlin, um wegen eines Handelsvertrages anzufragen. 
Kaiser Franz aber hörte auf die Klagen seiner Fabrikanten, er fürchtete 
jeden lebhaften Verkehr mit dem verderbten Auslande und verabscheute 
alle Neuerungen. Im Sommer 1834 entschied er: Ermäßigungen des 
österreichischen Tarifs dürfen nur erfolgen als Gegenleistungen für Zu- 
geständnisse des Zollvereins — und dies in einer Zeit, da Österreich mit 
seinem starren Prohibitivsysteme sogar noch weniger als Frankreich im- 
stande war, mit Preußen Zug um Zug zu verhandeln. Der öster- 
reichische Unterhändler verließ Berlin unverrichteter Dinge.
	        
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