400 IV. 6. Der Deutsche Zollverein.
Während also Marschalls letztes Werk durch eine offenbare Gaunerei
rückgängig gemacht wurde, versuchte Nassau sich dem Zollvereine zu nähern.
Am5. März 1834 berichtete Blittersdorff, ein alter Vertrauter des Herzogs:
man sieht in Biebrich die Notwendigkeit des Anschlusses ein, doch der
Herzog ist zu weit gegangen im Kampfe gegen Preußen, er kann sich jetzt
nicht durch Bitten bloßstellen und will abwarten, bis man ihm Anerbie-
tungen macht. Aber die Anerbietungen blieben aus. Der kleine Herr,
der aus Haß gegen das fremde Zollsystem vor Frankreich sich gedemütigt,
mußte schließlich auch vor Preußen sich beugen. Am 8. Oktober bat der
Kollektivgesandte Lestoch in Berlin um die Eröffnung der Verhandlungen.
Die preußischen Staatsmänner zögerten; sie wollten vorher die badische
Frage ins reine bringen. Erst im Juli 1835 begannen die Verhand-
lungen. Eichhorn wünschte den Nassauer Hof für sein ehrloses Verhalten
zu züchtigen, wollte ihm nur ein beschränktes Stimmrecht zugestehen. Auch
die thüringischen Kleinstaaten fanden es unwürdig, daß Nassau höhere
Rechte erhalten sollte als sie selber. Aber Wittgenstein sprach warm für
den alten Freund, und die unerschöpfliche Gutmütigkeit des Königs ge-
währte dem reuigen Sünder volle Verzeihung. Ubrigens zeigte Nassau
noch während der Verhandlungen eine erstaunliche Unbescheidenheit. Sein
Bevollmächtigter forderte nicht nur die Fortdauer der Schiffahrtsabgaben
auf dem Main und Rhein, sowie der Bannrechte der herzoglichen Do-
manialmühlen; er verlangte auch die Privilegien der Meßplätze für die
nassauischen Badeorte und — ein Präzipuum für das Herzogtum bei
der Verteilung der Zolleinnahmen, da Ems, Wiesbaden und Schwalbach
mit ihrem lebhaften Fremdenverkehr doch sicherlich mehr verzehrten als
andere Städte des Vereins! Als der Kleinstaat endlich am 10. Dez. 1835
mit gleichem Stimmrecht und gleichem Anteil an den Einkünften dem
Zollverein beigetreten war, da stellte sich die Rechnung nach einem Jahr-
zehnt wie folgt: Nassau hatte kaum eine halbe Million Taler einge-
nommen und 2½ Mill. Tlr. empfangen. Und dieser Staat forderte
ein Präzipuum! —
Wie Nassau sich mit Frankreich gegen den Zollverein verschwor, so
suchte die freie Stadt Frankfurt mit Englands Hilfe den preußischen
Fesseln zu entgehen. Alle Verkehrseinrichtungen der Stadt richteten sich,
wie in den Hansestädten, nach den Bedürfnissen des Durchfuhrhandels;
alle Klassen der Bevölkerung betrachteten die fremden Mautbeamten vor
den Toren als ihre natürlichen Feinde. Der Schmuggler war eine volks-
beliebte Gestalt, in den Kontoren ein willkommener Gast. Dem Frank-
furter, wie bisher dem Leipziger Kaufherrn stand die Meinung fest, daß
sein Handel „die Plackereien“ der Mautämter nicht vertrage: „der Zoll-
verein würde unsere merkantile Existenz vernichten.“
Von der herrschenden österreichischen Partei des Senats ging nun
der Gedanke aus, die Politik des mitteldeutschen Sonderbundes auf eigene