Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Vierter Teil. Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. (27)

Nassaus Beitritt. Frankfurt und England. 401 
Faust fortzuführen und im Bunde mit England dem Zollverein entgegen— 
zutreten. Am 13. Mai 1832 schloß Senator Harnier in London mit 
Palmerston und Lord Auckland einen „Handels- und Schiffahrtsvertrag“ 
auf zehn Jahre, der die Flaggen beider Mächte gleich stellte und zugleich 
ausbedang, daß kein dritter Staat im Zollwesen zum Nachteil der Kon— 
trahenten bevorzugt werden dürfe. Die Absicht war deutlich: englische 
Schiffe sollten ihre Waren den freien Rhein hinauf nach Frankfurt führen 
zur Weiterbeförderung durch die Schmuggler, dafür blieb die deutsche 
Stadt zehn Jahre lang dem preußischen Handelsbunde fern und getröstete 
sich des Glaubens, daß vielleicht einmal ein Schiff unter Frankfurter 
Flagge nach England segeln würde. So stattete Frankfurt seinen Dank 
ab für die durch Preußens langjährige Arbeit endlich erreichte Befreiung 
der Rheinschiffahrt. Die Presse des Zollvereins tobte, der alte Haß 
gegen England brach wieder aus, der Darmstädter Landtag erklärte sich 
entrüstet wider diese Preisgebung der nationalen Ehre. In der Tat 
scheint trotz der Ableugnungen des Frankfurter Senats unbestreitbar, daß 
die deutsche Stadt und nicht England die Anregung gegeben hatte zu dem 
unsauberen Geschäfte, wie ja auch Nassau bei jenem französischen Ver— 
trage der treibende Teil war. Die Times und die besseren englischen 
Blätter schalten auf den begehrlichen Krämersinn ihres Kabinetts: wie 
lächerlich dieser Schiffahrtsvertrag mit einer Binnenstadt, die doch auf 
die Dauer sich nicht absondern kann von der nationalen Handelspolitik! 
In Frankfurt selbst stieg die Unzufriedenheit. Bittere Erfahrungen 
lehrten, daß die beliebte Vergleichung Frankfurts und der anderen „freien 
Städte“ auf beiden Füßen hinkte. Während in Hamburg der gesamte 
Zwischenhandel Skandinaviens seinen Mittelpunkt fand, war der Binnen- 
platz wesentlich auf den deutschen Handel angewiesen. Auf eine Firma, die 
mit englischen und französischen Waren handelte, kamen zwanzig deutsche 
Geschäfte. Der Umfang des Speditionshandels sank auf die Hälfte herab, 
seit Kurhessen sich an Preußen angeschlossen; das blühende Geschäft in 
Leder und Wein lag jetzt ganz darnieder. Die wenigen englischen Schiffe, 
die den Main herauf kamen, boten keinen Ersatz für den gesperrten nach— 
barlichen Verkehr. Alle Nachbarstädte wuchsen zusehends: Hanau, Vilbel 
und der aufblühende Meßplatz Offenbach. Auch die alten Nebenbuhler 
zu Mainz frohlockten in nachbarlicher Schadenfreude. Schon mußte der 
Frankfurter Kaufmann in Offenbach zu hohen Preisen Keller und Speicher 
mieten, derweil daheim die Speicher leer standen. Wie lange sollte der 
schimpfliche Schmuggel noch währen, und konnte Preußen nicht endlich 
die Geduld verlieren, die Schrecken seines Enklavensystems über die trotzige 
Stadt verhängen? Beredte Flugschriften schilderten den Notstand. Im 
Februar 1834 verlangte endlich die Handelskammer, die schon seit langem 
geteilten Sinnes war, den Anschluß an Preußen. 
Nach langwierigen Vorberatungen mit dem Darmstädter Hofmann 
v. Treitschke, Deutsche Geschichte. IV. 26
	        
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