Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Vierter Teil. Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. (27)

420 IV. 7. Das Junge Deutschland. 
trennt von dem Lande der Philister.“ Unablässig pries er den neuen 
„Bürgerkönig ohne Hofetikette, ohne Edelknaben, ohne Kurtisanen, ohne 
Kuppler, ohne diamantene Trinkgelder und sonstige Herrlichkeiten“; aber 
auch die „Bergprediger, welche von der Höhe des Konvents zu Paris ein 
dreifarbiges Evangelium herabpredigten, in übereinstimmung mit der An— 
sicht jenes älteren Bergpredigers“; und dann wieder den großen Napoleon, 
der im Freiheitskriege nur der Macht der Dummheit unterlag, was aber 
wenig schadete, weil „die Franzosen sogar durch ihre Niederlagen ihre 
Gegner in Schatten zu stellen wissen“. Derweil er unter seinen Fenstern 
den Pariser Pöbel brüllen hörte: „Warschau ist gefallen, Tod den Russen, 
Krieg den Preußen!“ — versicherte er dreist, nur die Feinde der Demokratie 
hetzten die nationalen Vorurteile auf, der französische Patriotismus um— 
fasse das gesamte Land der Zivilisation mit seiner Liebe, der deutsche 
ziehe das Herz zusammen wie Leder. 
Zugleich gebärdete er sich als politischer Flüchtling und sprach weiner- 
lich vor seinem Exile, während er in Wahrheit allein durch seine Genuß- 
sucht und seine französischen Neigungen in Paris zurückgehalten wurde. 
Bald sank er noch tiefer und verkaufte sich dem französischen Hofe; er 
erbat und empfing viele Jahre hindurch einen Gehalt aus den geheimen 
Fonds. Zum Danke fuhr er fort, sein Vaterland zu begeifern, aber 
die höhnischen Ausfälle gegen Ludwig Philipp, die er sich früherhin zu- 
weilen erlaubt, hörten auf. Als er darauf eine Zeitschrift gründen wollte, 
die auf den Absatz in Preußen berechnet war, wendete er sich durch Varn- 
hagens Vermittlung an die preußische Regierung, um heilig zu beteuern, 
wie dankbar er Preußens Verdienste um das Bastardsvolk seiner rheinischen 
Heimat anerkenne; die Rheinländer, diese Belgier, die alle Fehler der 
Deutschen, aber keine Tugend der Franzosen besäßen, seien erst durch 
Preußen wieder zu Deutschen geworden. Im Berliner Ministerium wür- 
digte man diese Versicherungen nach Gebühr, und sobald Heine erfuhr, 
daß sein Gesuch vergeblich sei, schimpfte er sogleich wieder nach alter Ge- 
wohnheit auf die „Berliner Ukasuisten und Knutologen“, und rief die 
rheinischen Bogenschützen auf, den häßlichen schwarzen Adler von der Stange 
zu schießen. Die deutschen Liberalen aber ließen sich in ihrer Bewunderung 
nicht stören, als im Jahre 1848 das geheime zwischen Guizot und Heine 
abgeschlossene Handelsgeschäft endlich an den Tag kam; der entlarvte Söld- 
ling Frankreichs blieb ihnen nach wie vor ein Apostel deutscher Freiheit, 
und wer etwa noch schüchtern zu behaupten wagte, die Grundsätze der 
Ehre und der Rechtschaffenheit müßten doch wohl auch für Heine gelten, 
wurde von der herrschenden Literatenschule als ein geistloser Mensch ab- 
gefertigt. 
Etwas mehr greifbaren Inhalt boten die leichten Plaudereien, mit denen 
Heine die Pariser über die Geschichte der deutschen Religion, Philosophie und 
Literatur zu belehren suchte; hier war der Schüler Hegels doch nicht so
	        
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