Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Vierter Teil. Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. (27)

Meyerbeer. Felix Mendelssohn. 455 
schaft zu den alten überlieferungen ihrer nationalen Kunst zurück, eben 
in den Tagen, da die Pariser Deutschjuden sich so frevelhaft an unserem 
Volkstum versündigten. Mendelssohns edles und großes Wirken bewies 
für alle Zukunft, daß der deutsche Jude nur dann wahren Ruhm erringen 
kann, wenn er ganz und ohne Vorbehalt im deutschen Leben aufgeht. — 
Auch die Malerei wurde von dem realistischen Zuge der Zeit er— 
griffen. Die Welt bedarf immer einer langen Frist, bis sie die Schran— 
ken erkennt, welche der Begabung schöpferischer Geister gesetzt sind. Glück— 
lich der Künstler, der wie Schiller von rohen, unreifen Jugendwerken stetig 
aufsteigt, seinen Genius immer freier entfaltet und dahingeht, sobald das 
Volk ihn ganz zu verstehen beginnt. Ein anderes, ein tragisches Geschick 
war Cornelius beschieden. Schwung, Adel, Großheit, eine Welt von neuen 
Ideen hatte er der erstarrten bildenden Kunst gebracht; die Deutschen be— 
trachteten ihn als einen anderen Goethe, König Ludwig stellte ihn fast 
über die Maler des Cinquecento, und noch im Jahre 1831 wurde er, als 
er aus Italien heimkehrte, wie ein Fürst eingeholt, die Münchener Künst— 
ler spannten ihm die Pferde vom Wagen. Einmal doch mußte dieser 
Überschätzung ein Rückschlag folgen. Cornelius war nur der Klopstock 
unserer neuen Malerei, reicher wohl, gewaltiger als der Dichter des Mes— 
sias, aber gleich jenem mehr ein Bahnbrecher als ein Vollender, und leider 
sollte nach ihm kein Goethe kommen, der alle die Strahlen des neu entdeckten 
Lichtes in einem Brennspiegel vereinigte. Ihm fehlte die wahrhaft male- 
rische Phantasie, die unbefangene Freude am Spiele der Formen und der 
Farben; immer stieg ihm zuerst ein großer poetischer Gedanke auf, dann 
suchte er erst nach den Gestalten, in denen dies frei geschaffene Ideal sich 
verkörpern sollte. Darum blieb ihm der Humor fremd, und auch die 
Schönheit des Weibes reizte ihn wenig, da sie selten Ideen ausspricht. 
Das Lehren gelang ihm wenig, weil er die allein lehrbare Technik gering- 
schätzte und den eigentlichen Zauber seiner Werke, die Macht seiner großen 
Persönlichkeit, kleineren Geistern nicht mitteilen konnte. So schritt er 
einsam fürbaß, der ernste kleine Mann mit dem strengen, gewaltigen 
Denkerkopfe, vergöttert von seinen Schülern, von wenigen ganz verstanden. 
Er sagte wohl: „die Natur ist die Frau, der Genius der Mann;“ doch 
er war ein herrischer Gatte, sich in das Leben seines Weibes liebevoll zu 
versenken, siel ihm nicht bei. Wer nur schlicht und recht malte und dem 
grandiosen Gedanken des Zusammenwirkens aller Künste nicht zu folgen 
vermochte, ward von dem stolzen Meister als ein „Fächler“ verachtet. Was 
focht es ihn an, daß er in München niemals heimisch wurde? die Bayern 
blieben ihm Barbaren. Was kümmerte ihn der Tadel der Franzosen, die 
ihm vorwarfen, er dichte nur, er male nicht? sie waren Fremde und konn- 
ten deutsche Kunst nicht begreifen. 
In solcher Stimmung empfing er den Auftrag, die neue Ludwigs- 
kirche mit Fresken zu schmücken, und sofort entwarf sein Dichtergeist den
	        
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