460 IV. 7. Das Junge Deutschland.
sellschaft; er war der Künstler der vornehmen Welt, malte die Prinzen und
die Hofleute ebenso vortrefflich wie ihre edlen Rosse, alles ohne Schön—
färberei, treu und wahr, mit jener Freude am Wirklichen, welche Chodo-
wiecki zuerst unter den Berliner Malern erweckt hatte. In den großen
Paradebildern, die ihm der Hof auftrug, mußte er den denkbar ungünstig—
sten Stoff bewältigen, die schnurgeraden Fronten der Grenadiere mit ihren
häßlichen Fräcken und steifen Halsbinden, die hohen Federhüte der Generale
und die Stutzschwänze ihrer Pferde. Wie reich, bedeutsam, markig er-
schienen gleichwohl seine Gemälde; welche Fülle des Lebens lag in der Ge-
schichte dieses Staates, wenn man sie nur zu packen verstand. Niemand
wußte das besser als der junge Adolf Menzel, der noch wenig beachtet
einherging. Sein Genie sollte dereinst vollenden, was die Berliner Realisten
Chodowiecki und Krüger begonnen hatten; auf die Sittenbilder und die
Paradebilder folgten die Heldenbilder der preußischen Geschichte. —
Auch in Rauchs Herzen glühte dieser preußische Stolz. In tiefster
Seele hatten ihn einst die Tage des Unheils und dann die wunderbare
Erhebung ergriffen. Immer war es ihm eine Lust, wenn er die Bilder der
Männer, die bei jenen Kämpfen mitgewirkt, in Erz oder Marmor gestalten
durfte. Er nannte sein edles Handwerk die eigentlich historische Kunst und
wiederholte gern das Goethische Wort: „Das beste Monument des Men-
schen ist der Mensch.“ Selbst aus Schleiermachers unschönem Kopfe fand
er das Lebendige, das Unsterbliche heraus. In die Züge des Königs, der
ihm auch als Mensch immer teurer wurde, hatte er sich ganz eingelebt;
eine Büste folgte der anderen, wie er auch das Grabbild seiner Königin,
bloß um sich selber genug zu tun, noch einmal ausführte. Für sein Preußen
war ihm keine Arbeit zu gering. Immer wieder formte er den Adler für
Festungstore und Brückenpfeiler, bis das geliebte Wappentier endlich die
rechte monumentale Gestalt erhielt; auch die schwarzen Husaren empfingen
von seiner Hand die verschönerten Totenköpfe für ihre Kolpaks. Mit
Freuden übernahm er das Standbild Friedrich Wilhelms I. für die Stadt
Gumbinnen; es tat ihm wohl, daß er dort in der dankbaren Ostmark
den gestrengen Soldatenkönig in seiner menschlichen Güte, als „Litauens
Wiederhersteller“ darstellen durfte. Gleichwohl blieb er zu sehr ein Klassiker,
um sich ganz heimisch zu fühlen in dieser formlosen nordischen Welt. Seine
liebsten Erinnerungen hingen doch an Italien, an jenen glücklichen Jugend-
tagen, da die neue germanische Völkerwanderung in die ewige Stadt ein-
gezogen war, um die entartete Kunst zu retten, wie vordem die entartete
Kirche. Wie war ihm dort die Seele weit geworden, wenn er unter den
Statuen des Vatikans einherwandelte oder in Carrara die schneeweißen,
gleich Zuckerhüten in die blaue Luft ragenden Berggipfel bestaunte und
dann mit seinem Freunde Tieck durch die Schluchten kletterte, um den edelsten
Marmor auszusuchen.
Darin liegt die selten verstandene hohe Schönheit der neuen deut-