500 IV. 8. Stille Jahre.
die strengste Neutralität gewissenhaft einhalte. Zwei Jahre währte dann
noch der portugiesische Bürgerkrieg. Von Franzosen befehligt, durch Frei-
willige aus beiden Westmächten verstärkt, drängten die Truppen der jungen
Königin das Heer Don Miguels mehr und mehr in die Enge.
Unterdessen starb König Ferdinand von Spanien (1833) und hinter-
ließ seinem Volke, als Vermächtnis eines schmachbedeckten Lebens, den
Bürgerkrieg. Drei Jahre vor seinem Tode war er durch seine vierte Ge-
mahlin, die muntere, gescheite, leichtlebige Neapolitanerin Christine be-
wogen worden, das salische Gesetz aufzuheben, das in dem spanischen
Bourbonenhause während des achtzehnten Jahrhunderts mit einigen Ein-
schränkungen unbestritten geherrscht hatte. Fortan sollte wieder das Thron--
folgerecht der Weiber gelten, das altnationale Recht, dem einst die katho-
lische Isabella und nachher die Habsburger ihre Herrschaft verdankt hatten,
und mithin nach Ferdinands Tode seine kleine Tochter Isabella, unter der
Vormundschaft ihrer Mutter Christine, die Krone tragen. Daß der recht-
mäßige Thronfolger, Ferdinands Bruder Don Carlos sich einem solchen
Staatsstreiche nicht gehorsam fügen konnte, war leicht vorherzusehen, und
schwer besorgt sagte Graf Bernstorff, sobald er von dieser neuen „Prag-
matischen Sanktion“ der spanischen Krone erfuhr: „um die Lage Europas
zu vereinfachen fehlt uns nur noch ein neuer spanischer Erbfolgekrieg.“
Don Carlos war Don Miguels Schwager, bigott wie dieser und dem
finstersten Aberglauben ergeben, ein blöder beschränkter Mensch, das aner-
kannte Haupt der „apostolischen“ Partei, während Königin Christine durch
die Macht der Verhältnisse den Feinden der Priesterherrschaft in die Arme
getrieben wurde. In Portugal vertrat die legitime Maria, in Spanien
die illegitime Isabella den Liberalismus. Doch was fragte der leitende
Staatsmann Englands nach dem historischen Rechte? Palmerston sah
scharfsinnig voraus, daß die Königin-Regentin Christine sich bald gezwungen
sehen würde, die Hilfe ihres Oheims Ludwig Philipp anzurufen; und dann
konnten die beiden illegitimen Bourbonenhöfe von Madrid und Paris
vielleicht jenen Familienvertrag erneuern, welcher einst, zu Englands
Schaden, so lange zwischen ihren legitimen Vorgängern bestanden hatte.
Um diese Gefahr abzuwenden, gab es nur ein Mittel: England selbst
mußte sich zwischen die beiden Höfe eindrängen und, zur Erbauung aller
liberalen Gemüter, den hochherzigen Beschützer der illegitimen Isabella
spielen. So ließ sich auch hoffen, daß der spanische Bürgerkrieg ins Un-
endliche währte und dem britischen Gönner die Möglichkeit bot, der be-
drängten Regentin vorteilhafte Handelsverträge abzupressen; überdies
wurde der immer mit stillem Argwohn betrachtete französische Bundes-
genosse durch den Krieg jenseits der Pyrenäen lahm gelegt und auch die
Ostmächte dermaßen beschäftigt, daß sie kaum noch bemerken konnten, wie
England mittlerweile seine Handelsherrschaft über die halbe Welt hin er-
weiterte. Und alle diese glänzenden Gewinste ließen sich erreichen ohne