Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Vierter Teil. Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. (27)

502 IV. 8. Stille Jahre. 
dessen Kriegslager sich auch Don Carlos befand, bei Elvora kapitulieren. 
Er verzichtete auf die angemaßte Krone gegen ein Jahresgehalt und ging 
nach Italien, späterhin nach Bayern, wo er mit den Ultramontanen aller 
deutschen Staaten unablässig geheime Ränke anspann. Also war Portugals 
Schicksal entschieden, die englische Handelsherrschaft am Tejo wieder— 
hergestellt. Selbst Metternich zuckte die Achseln, als Ancillon jetzt noch 
nachträglich mit dem priesterlichen Vorschlage herausrückte, Don Miguel 
solle die ihm einst versprochene Hand Donna Marias nunmehr fordern, 
um durch ein fröhliches Ehebündnis die beiden Parteien Portugals zu 
versöhnen.“) Palmerston war Herr der Lage und er verstand für das 
eheliche Glück der jungen Königin zu sorgen. Kaum war sie mannbar, so 
wurde sie mit dem Herzog von Leuchtenberg vermählt, der als Napoleonide 
dem Tuilerienhofe verdächtig und eben deshalb den englischen Freunden 
hochwillkommen war. Der junge Herzog starb einige Monate nach der 
Hochzeit, und nunmehr konnte die koburgische Hauspolitik einen neuen 
glücklichen Schachzug wagen. Dank dem Glaubenswechsel der Koburg- 
Koharys war König Leopold von Belgien in der angenehmen Lage, auch 
katholischen Königinnen brauchbare koburgische Gatten anzubieten. Von 
Palmerston unterstützt, schlug er seinen Neffen Ferdinand vor, und bald 
nachher (1836) kam der glückliche junge Koburger an Bord eines eng- 
lischen Kriegsschiffes nach Lissabon, um seinem hochzeitsfrohen Hause die 
zweite Königskrone zu gewinnen. Das unselige Land lernte unterdessen 
den ganzen Jammer des romanischen Parlamentarismus kennen: Amter- 
jagd, Bestechung und Verschwörung, Parteikampf und Ministersturz, Ver- 
fassungsbruch und Verfassungsverleihung in eintönigem Wechsel. Immer- 
hin waren die Zustände etwas erträglicher als einst unter dem Henkerbeile 
Don Micguels, und England mindestens konnte sich der neuen konstitutio- 
nellen Herrlichkeit aufrichtig freuen: die Portugiesen lieferten ihm wieder 
den unentbehrlichen Portwein und wurden zum Dank in der Entwicklung 
ihres Gewerbfleißes durch den übermächtigen britischen Wettbewerb gänz- 
lich daniedergehalten. 
Durch die Kapitulation von Elvora war auch Don Carlos in die 
Hände der Verbündeten gefallen, und nahm man die Versprechungen der 
Quadrupel-Allianz ernst, so mußte man auch ihn entweder zur Verzicht- 
leistung nötigen oder auf andere Weise unschädlich machen. So konnte 
der kaum erst entbrannte spanische Bürgerkrieg schon im Keime erstickt und 
die Königin-Regentin Christine von ihrem einzigen gefährlichen Feinde be- 
freit werden. Dann aber war nur zu wahrscheinlich, daß die beiden ver- 
wandten Höfe von Madrid und Paris sich freundlich aneinander schlossen, 
und dies entsprach keineswegs dem englischen Interesse. Darum wurde 
Don Carlos, ohne daß man ihm irgend eine Verpflichtung auferlegte, auf 
*) Ancillon, Weisung an Brockhausen, 5.Okt. Brockhausens Bericht, 11.Okt. 1834.
	        
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