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er nicht nach Spanien zu senden, weil er weder die Ostmächte reizen, noch
diesen willkommenen Bürgerkrieg verkürzen wollte. Aber Englands Schiffe
blockierten den Meerbusen von Biscaya, sie unterstützten gelegentlich die
Truppen der Regentin in den Kämpfen gegen die Heerhaufen der Basken
und lieferten zuweilen eine Schar wehrloser carlistischer Gefangener zur
Niedermetzelung an die Cristinos aus. Das Verbot der ausländischen
Werbungen wurde außer Kraft gesetzt und eine sogenannte spanische Legion
gebildet, welche den Cristinos ganz ebenso zu Hilfe kommen sollte, wie
einst Canning die südamerikanischen Republiken unter der Hand durch
englische Freiwillige unterstützt hatte. Ihr Offizierkorps bestand aus vor-
nehmen Abenteurern und vereinzelten liberalen Enthusiasten, ihre Mann-
schaft aus dem Auswurfe des Pöbels von London, Glasgow, Manchester;
Palmerston aber rühmte sie im Parlamente als eine Schar von hochsinnigen
Männern, welche nicht durch die Aussicht auf Gewinn, sondern durch eine
ehrenwerte Begeisterung für die konstitutionelle Sache angetrieben würden.
In den roten Röcken des königlichen Heeres, durch englische Drill-Sergean-
ten geschult, mit englischen Fahnen und Tower-Gewehren ausgerüstet,
segelten diese Leute nach dem Baskenlande, wo sie von den ergrimmten
Carlisten, nach mannigfachen Wechselfällen, schließlich fast allesamt nieder-
gehauen wurden. Währenddem versicherte der Minister beharrlich, das
britische Heer nehme an dem spanischen Kriege durchaus keinen Anteil.
Wellington aber warnte im Oberhause tief empört: „England darf seine
Ehre nicht beflecken.“ Zu spät; sie war schon befleckt. Die britischen
Soldatengräber an den Felsabhängen der Mota, der meerumbrandeten
Hafenfeste von S. Sebastian, verkündeten weithin Englands Schande.
Doch die Schande war ein gutes Geschäft. Durch diesen verhüllten
Krieg, durch Waffenlieferungen und geheime Unterstützungen fesselte Pal-
merston die Regentin an sich, und sie gewährte ihm mehrmals vorteil-
hafte Handelsverträge, zum Schaden der jungen katalanischen Industrie.
In der Regel begünstigte er die Exaltados, Mendizabal vornehmlich war
ihm ganz ergeben; denn je schärfer sich die Gegensätze zuspitzten, um so
länger mußte dieser einträgliche Bürgerkrieg währen. Im Parlamente
ward seine Sprache immer übermütiger, zuletzt rein demagogisch. Er er-
klärte offen, schon seines Handels wegen müsse England die Königin Isa-
bella begünstigen; er nannte Don Carlos „einen bloßen Prätendenten, der
einen Thron verlange, auf dem er nie gesessen“, und die Londoner Börse,
die in den fragwürdigen Staatspapieren der Königin-Regentin glänzende
Geschäfte machte, betrachtete den freisinnigen Lord mit herzlichem Wohl-
gefallen. Dem uneingeweihten Teile des Unterhauses suchte er den
dynastischen Zank der beiden gleich erbärmlichen Bourbonenhäuser als
einen großen Prinzipienkrieg darzustellen, und sagte am 19. April 1837
geradezu: „Es ist unerläßlich, daß in jedem Staate die Macht bestehe, im
Notfalle das Staatsoberhaupt zu wechseln. Auf dieses Prinzip wurde