Die Ostmächte und Don Carlos. 511
Hauses Holstein-Gottorp hatte er aber auch bei diesen legitimistischen Kraft-
reden seine Hintergedanken. Die Schirmherrschaft über den Sultan, die
sich Rußland durch die Verträge von Adrianopel und Hunkiar Iskelessi
errungen hatte, geriet schon ins Wanken; die englische Diplomatie gewann
am Bosporus wieder Boden, und der Zar wollte den gefährlichsten Gegner
seiner orientalischen Pläne nicht ohne Not aufreizen. Deshalb berührte
er die spanischen Händel nur ungern, und Metternich konnte gar nicht
begreifen, warum Nikolaus das britische Kabinett, „die schlechteste aller
schlechten Regierungen“, so rücksichtsvoll, ja zärtlich behandelte.)
Unter solchen Umständen vermochte Don Carlos nicht einmal eine
erhebliche Geldunterstützung von den drei Monarchen zu erlangen. Die
Liberalen freilich glaubten steif und fest, daß der Krieg der Carlisten wesent-
lich mit dem Gelde der Ostmächte geführt würde; zumal die Osterreicher
erzählten sich Wunderdinge von den ungeheuren Summen, die alljährlich
nach den Pyrenäen abströmen sollten. Nichts konnte irriger sein. Selbst
König Friedrich Wilhelm, der streng carlistisch gesinnt und über die Lau-
heit seines Schwiegersohnes sehr ungehalten war, weigerte sich entschieden,
die Bürgschaft für eine carlistische Anleihe zu übernehmen, wie der alte
französische Legitimist Blacas ihm vorschlug; so offen sollte sein Staat
nicht Partei nehmen.““) Erst nach langem Bitten erklärte er sich zu einer
Barzahlung bereit, die allenfalls als ein Almosen oder als ein Beweis
persönlicher Freundschaft betrachtet werden konnte. Auf seinen Befehl
mußte die Seehandlung in tiefem Geheimnis nach und nach insgesamt
473 624 Tlr. 8 Sgr. „zu einem besonderen Zweck“ unverzinslich vor-
schießen; die Gelder gingen, zum Teil durch Metternichs Vermittlung,
als Geschenk an Don Carlos ab und wurden nachher aus dem Staats-
schatz ersetzt.) Die Summe war sehr hoch für einen knappen Staats-
haushalt, der mit 51 Mill. jährlich seine regelmäßigen Ausgaben bestreiten
sollte, aber lächerlich gering als Beihilfe zu einem siebenjährigen Kriege,
welcher sogar die Juwelenschätze der spanischen Klöster erschöpfte. Nachher
zahlten auch die Hofburg und, nach langem Sträuben, selbst Zar Niko-
laus, aber beide gaben nur etwa ebensoviel wie der König von Preußen,
so daß die gesamten Spenden der drei Höfe sich auf 4 Mill. Franken
belaufen mochten. Dabei blieb es. Größere Zahlungen erlaubte der
Zustand der preußischen Finanzen nicht mehr, und kleine Summen wollte
man nicht geben, weil man jetzt schon aus schmerzlicher Erfahrung wußte,
daß diese regelmäßig in den Taschen der carlistischen Granden verschwan-
den. Nach der Niederlage der Carlisten wurde in der Berliner vornehmen
Welt noch einmal für die Trümmer des geschlagenen Heeres gesammelt;
*) Maltzans Bericht, 26. Dez. 1835.
**) Lottum, im Namen des Königs, an Anecillon, 23. April 1834.
*'“) Kabinettsordres an Rother, 25. Nov. 1836, an Lottum, 11. Aug. 1838. Rother
an Lottum, 5. März 1838.