Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Vierter Teil. Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. (27)

Die Ostmächte und Don Carlos. 511 
Hauses Holstein-Gottorp hatte er aber auch bei diesen legitimistischen Kraft- 
reden seine Hintergedanken. Die Schirmherrschaft über den Sultan, die 
sich Rußland durch die Verträge von Adrianopel und Hunkiar Iskelessi 
errungen hatte, geriet schon ins Wanken; die englische Diplomatie gewann 
am Bosporus wieder Boden, und der Zar wollte den gefährlichsten Gegner 
seiner orientalischen Pläne nicht ohne Not aufreizen. Deshalb berührte 
er die spanischen Händel nur ungern, und Metternich konnte gar nicht 
begreifen, warum Nikolaus das britische Kabinett, „die schlechteste aller 
schlechten Regierungen“, so rücksichtsvoll, ja zärtlich behandelte.) 
Unter solchen Umständen vermochte Don Carlos nicht einmal eine 
erhebliche Geldunterstützung von den drei Monarchen zu erlangen. Die 
Liberalen freilich glaubten steif und fest, daß der Krieg der Carlisten wesent- 
lich mit dem Gelde der Ostmächte geführt würde; zumal die Osterreicher 
erzählten sich Wunderdinge von den ungeheuren Summen, die alljährlich 
nach den Pyrenäen abströmen sollten. Nichts konnte irriger sein. Selbst 
König Friedrich Wilhelm, der streng carlistisch gesinnt und über die Lau- 
heit seines Schwiegersohnes sehr ungehalten war, weigerte sich entschieden, 
die Bürgschaft für eine carlistische Anleihe zu übernehmen, wie der alte 
französische Legitimist Blacas ihm vorschlug; so offen sollte sein Staat 
nicht Partei nehmen.““) Erst nach langem Bitten erklärte er sich zu einer 
Barzahlung bereit, die allenfalls als ein Almosen oder als ein Beweis 
persönlicher Freundschaft betrachtet werden konnte. Auf seinen Befehl 
mußte die Seehandlung in tiefem Geheimnis nach und nach insgesamt 
473 624 Tlr. 8 Sgr. „zu einem besonderen Zweck“ unverzinslich vor- 
schießen; die Gelder gingen, zum Teil durch Metternichs Vermittlung, 
als Geschenk an Don Carlos ab und wurden nachher aus dem Staats- 
schatz ersetzt.) Die Summe war sehr hoch für einen knappen Staats- 
haushalt, der mit 51 Mill. jährlich seine regelmäßigen Ausgaben bestreiten 
sollte, aber lächerlich gering als Beihilfe zu einem siebenjährigen Kriege, 
welcher sogar die Juwelenschätze der spanischen Klöster erschöpfte. Nachher 
zahlten auch die Hofburg und, nach langem Sträuben, selbst Zar Niko- 
laus, aber beide gaben nur etwa ebensoviel wie der König von Preußen, 
so daß die gesamten Spenden der drei Höfe sich auf 4 Mill. Franken 
belaufen mochten. Dabei blieb es. Größere Zahlungen erlaubte der 
Zustand der preußischen Finanzen nicht mehr, und kleine Summen wollte 
man nicht geben, weil man jetzt schon aus schmerzlicher Erfahrung wußte, 
daß diese regelmäßig in den Taschen der carlistischen Granden verschwan- 
den. Nach der Niederlage der Carlisten wurde in der Berliner vornehmen 
Welt noch einmal für die Trümmer des geschlagenen Heeres gesammelt; 
*) Maltzans Bericht, 26. Dez. 1835. 
**) Lottum, im Namen des Königs, an Anecillon, 23. April 1834. 
*'“) Kabinettsordres an Rother, 25. Nov. 1836, an Lottum, 11. Aug. 1838. Rother 
an Lottum, 5. März 1838. 
 
	        
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