Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Vierter Teil. Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. (27)

518 IV. 8. Stille Jahre. 
bekam die Ungnade des Königs lebhaft zu empfinden; er verlangte wieder 
einmal, wie so oft schon, seine Entlassung aus dem Staatsrate, ein Bruch 
schien unvermeidlich, und nach allem, was geschehen, war es fast ein Glück 
für ihn, daß er bald nachher erkrankte und starb (Sept. 1837). Auch der 
Kronprinz bestürmte seinen Vater mit Klagen. Zar Nikolaus setzte ebenfalls 
alle Hebel ein, er sendete seinen Günstling Oberst Rauch nach Berlin und 
ließ in Schwerin die Prinzessin, seine Nichte, beschwören, daß sie von ihrem 
ausgesprochenen Entschlusse abstehen möge — was Ancillon als einen unge- 
hörigen Eingriff in deutsche Angelegenheiten entschieden zurückweisen mußte.*) 
Bei all diesem Getöse behielt der alte König seinen Gleichmut; er 
blieb dabei, daß der europäische Friede ein solches Opfer verlange: — eine 
preußische Prinzessin würde er den Orleans freilich nicht preisgegeben 
haben. Im Mai 1837 fand die Braut auf der Durchreise nach Paris im 
Potsdamer Schlosse freundliche Aufnahme und gewann sich an A. Hum- 
boldt einen Freund für das Leben. Im Juni wurde die Hochzeit gefeiert 
und zugleich in Versailles das Museum à toutes les gloires de la France 
eröffnet, eine Sammlung, deren prahlerische Schlachtenbilder zu dem fried- 
fertigen Wesen des Bürgerkönigtums allerdings wenig stimmten. Ludwig 
Philipp schwamm in Freuden, er ernannte seinen Gesandten Bresson zum 
Pair; denn nunmehr war sein Haus, Dank dem Könige von Preußen, 
feierlich in die Gemeinschaft des europäischen Fürstenstandes aufgenommen. 
Er säumte auch nicht, seine Dankbarkeit durch Taten zu bewähren. Im 
Jahre 1838 wurden die Franzosen aus Ancona, die Österreicher aus 
Ferrara zurückgerufen, und vorläufig schien jede Kriegsgefahr beseitigt. — 
Die gleiche Mäßigung bewährte Friedrich Wilhelm auch bei den schwei- 
zerischen Händeln, die sein Fürstentum Neuenburg noch immer beunruhig- 
ten. Nachdem sieben demokratische Kantone einen Sonderbund zum Schutze 
ihrer neuen Verfassungen gebildet hatten, schlossen die Neuenburger Roya- 
listen mit fünf anderen konservativen Kantonen den Sarnerbund, um 
das alte Bundesrecht aufrecht zu erhalten. Der Streit verschärfte sich 
dergestalt, daß der Neuenburger Gesetzgebende Körper im Sommer 1833 
beschloß, beim Könige förmlich den Austritt aus der Eidgenossenschaft zu 
beantragen. So war die Meinung der großen Mehrzahl der Gebildeten. 
Unter den Massen dagegen besaß die schweizerische radikale Partei der so- 
genannten Patrioten schon starken Anhang, und als sie sofort eine Gegen- 
petition veranstaltete, fand sie leicht einige tausend Unterschriften. Der 
König ließ diese Petenten kurz bedeuten, daß er nur in der Meinung der 
gesetzmäßigen Abgeordneten die Stimme des Volkes erkennen könne. Die 
Abgesandten des Gesetzgebenden Körpers hingegen, an ihrer Spitze der 
feurige Royalist Baron Chambrier, wurden in Berlin sehr freundlich 
aufgenommen, sie zeigten dem Könige „ein wahrhaft kindliches Vertrauen“, 
  
*) Münchhausens Berichte, 21. Febr., 11., 12. April 1837.
	        
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