Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Vierter Teil. Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. (27)

Die bayrischen Schwestern. Erste Teplitzer Zusammenkunft. 523 
diplomatischen Dilettanten rauben lassen. Als Gegner Metternichs galt 
er für liberal; in Wahrheit war er nur ein Bureaukrat des gemeinen 
Schlages, wohl erfahren in allen Künsten der geheimen Polizei, mäßigen 
Reformen nicht abgeneigt und, wie alle Beamten der alten österreichischen 
Schule, ein entschiedener Gegner der Klerikalen, aber kleinlich, geizig, 
schwunglos, nur durch technische Sachkenntnis, nicht durch staatsmännische 
Einsicht dem Nebenbuhler überlegen. Weit mehr bedeutete der stille Un— 
wille der kaiserlichen Familie. Nun, da der Kaiser fehlte, waren die Erz- 
herzöge nicht mehr gesonnen, hinter diesem Rheinländer und seiner unleid- 
lich hochmütigen Gemahlin zurückzustehen; den Damen des Hofes erschien 
Metternich überdies als Weltkind verdächtig. Die Kaiserin-Witwe Karoline 
Auguste und ihre Schwester Sophie, die Gemahlin des Erzherzogs Franz 
Karl, hielten treu zusammen; sie hatten schon den alten Kaiser in seinen 
letzten Jahren bewogen, sich den Jesuiten gnädiger zu erweisen, und jetzt 
richtete die gesamte klerikale Partei in Deutschland ihre hoffenden Blicke 
zu ihnen empor. 
Von diesen Tagen an begann die stille, verhängnisvolle Wirksamkeit 
der fünf bayrischen Schwestern. Die beiden österreichischen Fürstinnen 
standen in herzlichem schwesterlichem Verkehre mit der Kronprinzessin von 
Preußen, der Königin Marie und der Prinzessin Johann von Sachsen. 
Alle fünf zeichneten sich aus durch reiche Bildung und lebendiges Ver- 
ständnis für ernste Gedanken; sie konnten, jede nach ihrer Weise, ungemein 
liebenswürdig erscheinen. Prinzessin Johann fühlte sich glücklich als liebe- 
volle Mutter und nahm an den politischen Geschäften nur selten teil; 
die preußische Kronprinzessin durfte, seit sie zur evangelischen Kirche über- 
getreten war, die Bestrebungen der Klerikalen nicht mehr offen unterstützen; 
allen fünf aber war jene hochkonservative, „bourbonische“ Gesinnung ge- 
mein, welche an dem Hofe des alten Aufklärers Max Joseph insgeheim 
immer gepflegt wurde. Durch Ehrgeiz und Tatkraft überragte Erzherzogin 
Sophie die anderen Schwestern; Maltzan nannte sie einmal den Mann der 
kaiserlichen Familie.“) Sie zeigte einen lebhaften und eigenwilligen Geist, 
der an der Seite eines solchen Gatten nur immer selbständiger werden 
mußte, und meinte sich berufen, den verwaisten Thron zu beherrschen. 
Daß ihr die Fürstin Metternich tief zuwider war, ließ sich trotz der be- 
hutsam geschonten höfischen Formen leicht erkennen. 
So entspann sich in der Hofburg ein gefährlicher stiller Parteikampf, 
und als die beiden verbündeten Monarchen im September 1835, gleich 
nach den Kalischer Manövern, in Teplitz eintrafen, um den neuen Kaiser 
zu begrüßen, empfingen sie beide einen niederschlagenden Eindruck. Wohl 
wurde das russische Denkmal auf dem nahen Kulmer Schlachtfelde ge- 
meinsam eingeweiht, und Friedrich Wilhelm fühlte sich tief gerührt, da er 
  
*) Maltzans Berichte, Jan. 1838.
	        
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