Die bayrischen Schwestern. Erste Teplitzer Zusammenkunft. 523
diplomatischen Dilettanten rauben lassen. Als Gegner Metternichs galt
er für liberal; in Wahrheit war er nur ein Bureaukrat des gemeinen
Schlages, wohl erfahren in allen Künsten der geheimen Polizei, mäßigen
Reformen nicht abgeneigt und, wie alle Beamten der alten österreichischen
Schule, ein entschiedener Gegner der Klerikalen, aber kleinlich, geizig,
schwunglos, nur durch technische Sachkenntnis, nicht durch staatsmännische
Einsicht dem Nebenbuhler überlegen. Weit mehr bedeutete der stille Un—
wille der kaiserlichen Familie. Nun, da der Kaiser fehlte, waren die Erz-
herzöge nicht mehr gesonnen, hinter diesem Rheinländer und seiner unleid-
lich hochmütigen Gemahlin zurückzustehen; den Damen des Hofes erschien
Metternich überdies als Weltkind verdächtig. Die Kaiserin-Witwe Karoline
Auguste und ihre Schwester Sophie, die Gemahlin des Erzherzogs Franz
Karl, hielten treu zusammen; sie hatten schon den alten Kaiser in seinen
letzten Jahren bewogen, sich den Jesuiten gnädiger zu erweisen, und jetzt
richtete die gesamte klerikale Partei in Deutschland ihre hoffenden Blicke
zu ihnen empor.
Von diesen Tagen an begann die stille, verhängnisvolle Wirksamkeit
der fünf bayrischen Schwestern. Die beiden österreichischen Fürstinnen
standen in herzlichem schwesterlichem Verkehre mit der Kronprinzessin von
Preußen, der Königin Marie und der Prinzessin Johann von Sachsen.
Alle fünf zeichneten sich aus durch reiche Bildung und lebendiges Ver-
ständnis für ernste Gedanken; sie konnten, jede nach ihrer Weise, ungemein
liebenswürdig erscheinen. Prinzessin Johann fühlte sich glücklich als liebe-
volle Mutter und nahm an den politischen Geschäften nur selten teil;
die preußische Kronprinzessin durfte, seit sie zur evangelischen Kirche über-
getreten war, die Bestrebungen der Klerikalen nicht mehr offen unterstützen;
allen fünf aber war jene hochkonservative, „bourbonische“ Gesinnung ge-
mein, welche an dem Hofe des alten Aufklärers Max Joseph insgeheim
immer gepflegt wurde. Durch Ehrgeiz und Tatkraft überragte Erzherzogin
Sophie die anderen Schwestern; Maltzan nannte sie einmal den Mann der
kaiserlichen Familie.“) Sie zeigte einen lebhaften und eigenwilligen Geist,
der an der Seite eines solchen Gatten nur immer selbständiger werden
mußte, und meinte sich berufen, den verwaisten Thron zu beherrschen.
Daß ihr die Fürstin Metternich tief zuwider war, ließ sich trotz der be-
hutsam geschonten höfischen Formen leicht erkennen.
So entspann sich in der Hofburg ein gefährlicher stiller Parteikampf,
und als die beiden verbündeten Monarchen im September 1835, gleich
nach den Kalischer Manövern, in Teplitz eintrafen, um den neuen Kaiser
zu begrüßen, empfingen sie beide einen niederschlagenden Eindruck. Wohl
wurde das russische Denkmal auf dem nahen Kulmer Schlachtfelde ge-
meinsam eingeweiht, und Friedrich Wilhelm fühlte sich tief gerührt, da er
*) Maltzans Berichte, Jan. 1838.