Mecklenburgisch-französischer Handelsvertrag. 575
Kornzoll bildete aber einen der Pfeiler, auf denen die alte aristokratische
Parlamentsherrschaft ruhte. Er blieb bestehen und belastete den deutschen
Landbau schwer, den Getreidehandel insbesondere durch die Wandelskala;
da die Zollsätze sich nach den Marktpreisen veränderten und die Schiffe
noch sehr langsam segelten, so konnte der deutsche Schiffer den Zoll für
seine Getreideladung nie voraus berechnen. Also versagte die britische
Handelspolitik den Deutschen das einzige wertvolle Zugeständnis, das sie
ihnen bieten konnte, und hoffte gleichwohl die Handelsherrschaft über
Deutschland zu behaupten, indem sie unsere Zwietracht schürte. Nun da
der günstige Augenblick längst versäumt war, trat ihr plötzlich der unan-
greifbare neue nationale Handelsbund entgegen; die Deutschen hatten ge-
lernt, sich durch vereinte Kraft zu schützen, die Zeit der englisch-deutschen
Sonderbünde war dahin. Noch einmal versuchten England und Frank-
reich ihr altes Spiel zu erneuern. Während der Zollkonferenzen von 1839
erschienen Palmerstons Agent Dr. Bowring und der vielgewandte fran-
zösische Konsul Engelhardt aus Mainz als ungebetene Gäste in Berlin,
um durch Lockungen und Verheißungen einige der kleinen Staaten, vor-
nehmlich Baden, gegen den Zollverein aufzuregen. Sie fanden aber eine
sehr kühle Aufnahme, Bowrings anmaßende Zudringlichkeit mißfiel all-
gemein, beide mußten unverrichteter Dinge abziehen.)
Nur Mecklenburg gab sich noch zum Werkzeuge ausländischer Ränke
her, weil es in seinem Sonderleben verharren wollte, und schloß am
19. Juli 1836 mit Frankreich einen Handelsvertrag, der offenbar den Zweck
verfolgte, den französischen Weinen einen einträglichen Schleichhandel nach
den benachbarten preußischen Provinzen zu sichern. Die Vereinsregierungen
waren empört; König Ludwig schalt heftig auf die undeutsche Gesinnung
der Mecklenburger, auch Zar Nikolaus ließ in Schwerin seinen Unwillen
aussprechen, weil er jede Annäherung an den Bürgerkönig verabscheute)
Indessen gelang es durch sorgsame Grenzbewachung die üblen Folgen des
Vertrags von dem Zollvereine abzuwenden. Es war nicht anders; die
Westmächte mußten sich darein ergeben, daß sie den deutschen Handels-
bund nicht mehr auflockern, sondern nur noch Macht gegen Macht mit
ihm rechnen konnten. Und wie schwer es hielt, von einem so vielköpfigen,
so mannigfaltige Interessen umschließenden Vereine Zugeständnisse zu er-
langen, das erfuhr England jetzt schon bei vertraulichen Vorverhandlungen.
Palmerston ließ in Berlin unter der Hand die Ermäßigung der englischen
Holzzölle anbieten, falls der Zollverein seine Zölle auf Baumwollwaren
herabsetze. Ein solcher Vorschlag wäre früherhin, solange Preußen allein
stand, sicherlich angenommen worden; jetzt aber lautete die kühle Antwort:
*) Berichte von Frankenberg, 19. Juli, von Stockhausen, 10. Aug. 1839.
**) Berichte von Frankenberg, 3. Nov. 1836, von Münchhausen, 14. Febr., von
Dönhoff, 4. März 1837.