Nürnberg-Fürther Eisenbahn. 583
an dem Bergrat Joseph von Baader, dem Bruder des Philosophen, einen
geistreichen Sachverständigen, der gern in kühnen Plänen schwelgte und
sich selbst den Veteran des deutschen Eisenbahnwesens nannte. Er ließ
sich auch nicht beirren, als sein Ober-Medizinal-Kollegium ihm beweglich
vorstellte, der Dampfbetrieb werde bei den Reisenden wie bei den Zu—
schauenden unfehlbar schwere Gehirnerkrankungen erzeugen, und damit
mindestens die Zuschauer Schutz fänden, müsse der Bahnkörper mit einem
hohen Bretterzaune umgeben werden. Ludwig sendete seinen Architekten
Klenze nach England, Belgien und Frankreich, um sich über das Eisenbahn—
wesen zu unterrichten, und hörte es gern, wenn ihm Feldmarschall Wrede
von einem bayrischen Kriegsbahnnetze sprach, das in der Festung Ingolstadt
seinen Mittelpunkt finden sollte.“) Am stärksten lockte ihn der Gedanke
einer großen Bahn von Lindau nach Hos, die sich über Leipzig und Magde-
burg bis Hamburg fortsetzen, den Zollverein zusammenhalten, Deutsch-
lands Hauptverkehr in der Richtung vom Norden nach dem Süden, von
der Elbe zum Bodensee ablenken sollte; so sollte sein Bayern die Vor-
hand im nationalen Handel erlangen. Er ließ deshalb schon in Berlin
anfragen, empfing aber zur Antwort nur warmen Dank und die Ver-
sicherung, daß man den bayrischen Vorschlag reiflich erwägen werde.**) Von
einer Eisenbahn zwischen Ulm und Augsburg wollte er freilich nichts hören;
sie konnte den schwäbischen Nachbarn bedenkliche Vorteile bringen. Auch
einen Schienenweg zwischen Würzburg und Frankfurt fand er bedenklich:
das würde den Verkehr mit den gefährlichen Franzosen zu sehr erleichtern.
Nun gar der Plan einer Bahn zwischen dem Elsaß und der Pfalz, den
ihm der französischeGesandte unablässig anempfahl, erweckte sein patriotisches
Mißtrauen; so nahe an die Mainzer Bundesfestung wollte er die Straß-
burger Garnison nicht heran lassen. *“) Wichtiger als alle Eisenbahnen
erschien ihm doch der so lange geplante Ludwigskanal. Der große Ge-
danke, das Werk Karls des Großen zu vollenden, die Nordsee mit dem
Schwarzen Meere zu verbinden, übte auf sein romantisches Gemüt einen
unwiderstehlichen Zauber; und als nun Rothschild dienstbeflissen 8 Mill. fl.
Kanalaktien an der Börse unterbrachte, auch der Landtag sich dem könig-
lichen Lieblingsplane willfährig zeigte, da wurden die Eisenbahnpläne über
der Fossa Carolina bald fast vergessen.],)
Gleichwohl erlebte er die Genugtuung, daß in seinem Bayern die
erste deutsche Dampfbahn eröffnet wurde, die Bahn von Nürnberg nach
Fürth, eine Strecke von einer Meile, die man mit Dampf in 15, mit
Pferden in 25 Minuten durchlaufen konnte. Sie war das Werk des
wackeren Nürnberger Bürgertums. Joh. Scharrer brachte das Unter-
*) Dönhoffs Berichte, 7. Dez. 1835, 25. Juni 1836.
3) Ancillon, Weisung an Dönhoff, 13. Febr.; Dönhoffs Berichte, 27. Jan., 3.Okt.1836.
37*) Dönhoffs Bericht, 29. Mai 1837.
) Dönhoffs Berichte, 23. Nov. 1835, 22. Aug. 1836.