Beratungen über das preußische Eisenbahngesetz. 591
verleihen, die doch nur den frivolen Zweck verfolgte, den Berlinern das
Lustwandeln in den Potsdamer Gärten zu erleichtern?*) Der König selbst
zeigte sich den Eisenbahnen anfangs abgünstig; er war zu alt, um sich noch
für eine Erfindung zu erwärmen, welche die Freude seiner letzten Jahre,
den Chausseebau zu stören drohte. Auch der durchaus demokratische Cha—
rakter dieses neuen Verkehrsmittels kam ihm ungelegen. Seit Jahrtau—
senden hatte das schnelle Reisen für ein natürliches Vorrecht der Fürsten
und der Aristokratie gegolten; und diese uralten Sitten sollten sich jetzt
mit einem Schlage ändern! So schlicht bürgerlich er auch dachte: daß er
mit seinen Berlinern zusammen in demselben Zuge nach Potsdam fahren
sollte, schien ihm doch sehr unanständig.
Der Thronfolger dagegen schwärmte für die Eisenbahnen, noch weit
feuriger sogar als sein Schwager König Ludwig. Es zählte zu den vielen
Rätseln dieses so seltsam gemischten reichen Geistes, daß der Kronprinz
die nüchternen Angelegenheiten der Volkswirtschaft, die seiner romantischen
Weltanschauung so fern zu liegen schienen, immer mit besonderem Eifer
verfolgte und überraschend richtig beurteilte. Wie er den Zollverein stets
gegen die Sparsamkeit der Finanzpartei verteidigt hatte, so glaubte er
auch fest an die große Zukunft der Eisenbahnen; er wollte die Bahnen am
liebsten von Staats wegen bauen oder doch die Privatbahnen durch Zins-
garantien, durch die erleichterte Enteignung und andere Vorrechte unter-
stützen. Da der Thronfolger so stürmisch drängte und die Anfragen der
Eisenbahngesellschaften sich mehrten, so befahl der König eine gründliche
Beratung über ein umfassendes Eisenbahngesetz, das die Stellung der
Staatsgewalt zu der neuen Erfindung endgültig regeln sollte.
Die Verhandlungen währten sehr lange. Eine Kommission aus Räten
aller Ministerien ward gebildet; der Kriegsminister sendete einen seiner
besten Offiziere, den gelehrten Oberst Peucker. Dann beriet das Staats-
ministerium, endlich noch der Staatsrat. Der Streit ward sehr lebhaft;
die alten Minister hegten Zweifel, die jüngeren, Rochow, Mühler, Alvens-
leben hielten zu dem Kronprinzen, weil sie der Zukunft vertrauten. Es kam
soweit, daß Rother nach einem heftigen Wortwechsel mit dem Thronfolger im
April 1837 die Leitung der Handelspolitik niederlegte. Er beschränkte seine
Tätigkeit fortan auf die Seehandlung und auf die Bank, die er seit
Frieses Abgang übernommen hatte; das Handelsamt wurde wieder mit
dem Finanzministerium vereinigt.) Der Gegenstand war noch so neu,
so unberechenbar, so gänzlich unerprobt, daß niemand sich einen Sach-
kenner nennen durfte, und die tüchtigsten Männer in ihren Meinungen sehr
weit auseinander gingen. Der geniale Beuth, der doch noch in seinen
*) Frankenbergs Bericht, 4. Febr. 1836.
*#) Berichte von Münchhausen, 8., 11. April, von Frankenberg, 11. April, 11. Sep-
tember 1837.