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besten Jahren stand und sonst jeden technischen Fortschritt mit Feuereifer
begünstigte, betrachtete die Eisenbahnen sehr mißtrauisch. Ihr erklärter
Gegner aber war General Aster, der erste militärische Ingenieur des Zeit-
alters, obwohl er doch selbst bei seinen Festungsbauten schon oft kleine Eisen-
bahnen in Betrieb gesetzt hatte. Er meinte: „die Eisenbahnen halten wegen
der Kostbarkeit der Anlage und einer ziemlichen Ausschließlichkeit des Ge-
brauchs mit anderen weit wohlfeileren und in ihrer Anwendung teilbaren
Erfindungen, wie z. B. Buchdruck und Schießpulver, den Vergleich nicht
aus.“ Militärisch brauchbar seien sie nur dort, „wo zufällig die Wege
für den Krieg mit denen für die Industrie angelegten Bahnen zusammen-
passen;“ ein Eisenbahnnetz nütze militärisch nichts, weil es von der leiden-
den Partei bald außer Betrieb gesetzt würde, auch der aktiven Partei zu
wenig Sicherheit gewähre; und woher sollten die Mittel kommen, um die
zerstörten Eisenbahnen nach dem Kriege wiederherzustellen?*) Savigny
erwiderte dem General — wohl nicht ohne Zutun des Kronprinzen,
der wieder von Kühne Ratschläge empfing: man beabsichtige lange, un-
unterbrochene Eisenbahnlinien, etwa von Berlin zum Rheine, und diese
würden einem im Westen kämpfenden Heere sicherlich Vorteil bringen.)
Mit der ganzen Feierlichkeit seiner Amtsmiene trat Nagler für sein
bedrohtes Postwesen ein und versicherte: „das gänzliche Lostrennen und
Emanzipiereneineshöchstbeschränkten und untergeordneten Kommunikations=
mittels — der Eisenbahnen — von einer Staats-Institution wie die Post,
welche die wichtigsten Zweige der Kommunikation für das Ganze leitet
und fördert, kann nur höchst nachteilig sein und muß den richtigen
Standpunkt ganz verrücken.“““) Noch einmal, in einer großen Denkschrift
legte er dem Könige ans Herz, „daß das Postinteresse den Eisenbahn-
unternehmungen nicht aufgeopfert werden dürfe.“*) Nach langen Kämpfen
begannen sich die Meinungen doch zu klären. Den Staatsbau empfahl
unter den hohen Beamten niemand, obgleich David Hansemann noch
während der Beratungen in einer beredten Flugschrift dringend vor den
Gefahren der Privateisenbahnen warnte. Ein solches Wagnis erschien
zu groß für die beschränkten Finanzen. Darum ward auch die schwere
Frage, ob die Krone ohne Reichsstände große Anleihen aufnehmen könne,
für jetzt noch gar nicht erwogen. Andererseits wollte der König auch nicht
den Privatgesellschaften ein gemeinschädliches Monopol gewähren; er er-
klärte ausdrücklich: „daß sie zu ewigen Zeiten im Genuß der ihnen ein-
geräumten Vorrechte verbleiben, ist weder beabsichtigt noch zulässig.“)
*) Aster, Bedenken über das Referat des Justizministeriums, 10. April; Asters
Separatvotum, 30. April 1838. Frankenbergs Bericht, 14, Juni 1837.
*4) Savigny, Erwiderung auf die Bedenken des Generals Aster, 12. April 1838.
***) Bericht des Staatsministeriums an den König, 1. Juli 1837.
) Nagler, Denkschriftüber die Verhältnisseder Post zu den Eisenbahnen, April 1838.
+#) Kabinettsordre an Müffling, 12. Sept. 1838.