602 IV. 8. Stille Jahre.
ihr seid der Kern des Volkes. Schüttelt sie ab, die Fesseln, die arbeits-
scheue Müßiggänger euch schmiedeten. Der eine kommt ebensowenig mit
Stiefeln und Sporen zur Welt, wie die anderen mit Sattel und Zaum.
Nur Vorurteil und Willkür schaffen Herren und Knechte. Der Fürst
führt nicht weniger seinen Steiß bei sich als die anderen.“ Ein massen-
haft verbreitetes Gedicht „Hundert deutsche Handwerker“, mit dem Bilde
eines Gehenkten auf dem Umschlage, führte der Reihe nach die Hand-
werker vor, wie sie bereit standen, jeder mit seinem Werkzeuge, die Für-
sten einzusperren, zu hängen, zu köpfen:
Ich bin der Hufschmied Kilian,
Werd' einen Käfig schmieden,
Drein man die Fürsten setzen kann,
Wenn sie vom Thron geschieden.
Das sei die Volksmenagerie
Der aufgelösten Monarchie.
Wehmütiger erklang der Galgenhumor in dem „Liede der Verfolgten“
des gutmütigen, verbummelten Dichterleins Sauerwein:
Wenn die Fürsten fragen:
Was macht Absalon?
Lasset ihnen sagen:
Ei, der hänget schon —
Doch an keinem Baume
Und an keinem Strick,
Sondern an dem Traume
Einer Republik
Nichts blieb ihm auf Erden
Als Verzweiflungsstreich'
Und Soldat zu werden
Für ein freies Reich.
Gebt nur eure großen
Purpurmäntel her.
Das gibt gute Hosen
Für das Freiheitsheer.
Eine Flugschrift „Geisterstimme der Gemordeten an Fränzchen, Fritz-
chen, Nickel und deren Verbündete“ rechnete den Deutschen die 300 oder
600 Mill. fl. ihrer Staatsausgaben vor — Genaueres wußte der gesin-
nungstüchtige Statistiker nicht anzugeben: „Der Engländer zahlt seine
Weltherrschaft, seine Freiheit, der Franzose seinen Ruhm, seine Gleichheit,
der Deutsche seine Knechtschaft und seine Schande. Das ist der Unter-
schied.“ Durch seine geckenhafte Prahlerei tat sich unter den Verschwörern
der Nordfriese Harro Harring hervor; er nannte sich „Rebell aus Über-
zeugung“, verachtete Goethe als den „besternten Hofkoloß der Poesie“ und
bezeichnete in der Vorrede einer seiner zahlreichen Gedichtsammlungen seine
eigene historische Stellung also: „Die deutsche Bewegungspartei besteht
jetzt aus Studenten und Handwerksburschen, und der Sänger dieser Zeit-