Hassenpflug und der Landtag. 621
aus und erreichte wirklich, daß der Landtag von liberalen Staatsdienern
fast ganz gesäubert wurde; was verschlug es auch diesem Tausendkünstler,
daß die Verfassung vorschrieb, der Urlaub dürfe „nicht ohne erhebliche Ur—
sache“ versagt werden? Nach Jordans Ausscheiden fand die Opposition
bald neue mutige Führer an dem wackeren Bürgermeister Schomburg,
der als Landtagspräsident die stürmischen Verhandlungen mit würdigem
Ernst leitete, sowie an den Juristen Wippermann und Schwarzenberg, die
ungleich heftiger auftraten. Der Zank nahm kein Ende. Von vier Land—
tagen wurden unter Hassenpflugs Regiment zwei aufgelöst, einer einfach
„entlassen“ — in Formen, welche die Verfassung nicht kannte —, nur
ein einziger gelangte zum ordnungsmäßigen Schluß. Waren die Stände
nicht versammelt, so kämpfte der Minister, noch leidenschaftlicher, mit ihrem
Ausschuß. Hartnäckig, mit der Kunst des vollendeten Sophisten, bestritt
er ihnen jedes Recht, das nur irgend angezweifelt werden konnte. Als
die Budget-Kommission einmal mehrere Streichungen vorschlug, richtete
die Regierung eine förmliche Beschwerdeschrift an die Kammer und be—
schuldigte den Landtag, der noch gar keinen Beschluß gefaßt hatte, der
Überschreitung seiner Befugnisse. Zudem wurde im Lande jede Regung
des öffentlichen Lebens durch harte Polizeigewalt daniedergehalten, ob-
gleich die Unruhe der Revolutionsjahre längst einer tiefen Abspannung
gewichen war. Das dreihundertjährige Jubelfest des Schmalkaldener Bun-
des durfte — hier in der Heimat Philipps des Großmütigen — nicht
stattfinden, weil jener aufrührerische Bund wider die Obrigkeit den Hessen
nicht zur Ehre gereiche. Eines Tags erschien der Minister feierlich im
Landtage, um die Abgeordneten an ihre vaterländischen Pflichten zu mahnen
und die Erlaubnis zur Verfolgung eines Hochverräters zu erbitten. Alles
harrte gespannt auf den Namen des Frevlers; da nannte Hassenpflug
einen der gutmütigsten Philister des Hauses, den Gastwirt Salzmann.
Der wurde beschuldigt, auf seiner Kegelbahn in Nauheim das aufrühre-
rische Gerede eines Genossen von Weidig ruhig mit angehört zu haben,
und selbst dieser Hochverrat konnte nachher nicht erwiesen werden.
Unter solchen unfruchtbaren Wortgefechten stockten die Geschäfte. Alle
diese Jahre hindurch kam nur noch ein wichtiges Gesetz zustande, das
verständige Gemeindegesetz von 1834. Die Landstände wurden durch die
ewige Zänkerei empfindlich, gereizt, kleinlich. Sie beschwerten sich über
Amtsehrenbeleidigung, weil sie einmal bei einer öffentlichen Feierlichkeit
zur linken Hand des Regenten gestanden hatten; sie markteten um jeden
Flügeladjutanten, genau nach den Weisheitslehren des Staatslexikons,
und wollten einst sogar den Gehalt des Zollvereinsbevollmächtigten streichen
— ein offenbarer Vertragsbruch, der noch glücklich abgewendet wurde. Um
die Verwirrung zu vollenden, ließ der Prinzregent auch noch an den Mini-
stern seine Launen aus. Es wurde fast zur Regel, daß Meisterlin, Motz,
Trott und die anderen Ministerialvorstände, die neben Hassenpflug wenig