Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Vierter Teil. Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. (27)

Die schwäbischen Liberalen. 625 
prägen hyperkonstitutioneller Ideen in meinem Verfahren enthalten; das 
wäre für mich die schwerste aller Anklagen.“) 
An Hassenpflugs Stelle führte nunmehr Staatsrat Scheffer das Wort 
für die Regierung. Der hatte sich während der Revolutionsjahre durch 
radikalen Übermut ausgezeichnet; jetzt sprach er ganz im Sinne seines 
Vorgängers, nur ohne dessen Geist und Gewandtheit. Der Streit um die 
Rotenburger Quart währte fort. Im Jahre 1838 wurden zwei Landtage 
aufgelöst, weil sie die Einkünfte der Quart den Einnahmen des Staatsbudgets 
hinzurechnen wollten. Darauf wendeten sich die Stände nach Frankfurt, 
um die Einberufung des Bundesschiedsgerichts zu erbitten. Der Bundes- 
tag wies sie ab, da das hessische Kompromißgericht noch nicht gesprochen 
habe. Die Abweisung war der Form nach unanfechtbar — schade nur, daß 
der Prinzregent die Einberufung des Kompromißgerichts niemals zugeben 
wollte. Als nun gar noch Jordan wegen demagogischer Umtriebe ins Ge- 
fängnis geworfen wurde, da fragten die Hessen schmerzlich, wo die Seg- 
nungen der liberalsten aller deutschen Verfassungen geblieben seien. — 
In Württemberg hingegen erlangten König und Beamtentum fast 
unmerklich ihre alte Macht wieder. Der vormals verabscheute Führer des 
liberalen „reinen Deutschlands“ wurde jetzt an den großen Höfen, mit 
besserem Grunde, als der erfahrene Nestor der konstitutionellen Fürsten be- 
lobt: Niemand verstehe wie er, mit den Landständen ohne Geräusch fertig 
zu werden. Bei den Neuwahlen, nach der Auflösung des vergeblichen 
Landtags von 1833, ließ Staatsrat Schlayer alle Minen springen. Als 
den liberalen Beamten der Urlaub verweigert wurde, forderte Ludwig 
Uhland die Entlassung aus seiner Tübinger Professur, und die Regierung 
entblödete sich nicht, dem größten aller lebenden Schwaben den Abschied mit 
dem höhnischen Zusatz „sehr gern“ zu erteilen. Auch der junge Kriegs- 
rat Friedrich Römer legte sein Staatsamt nieder, um in den Stuttgarter 
Halbrundsaal einzutreten, wo er sich als das erste praktische Talent der 
Opposition bewährte. Die Liberalen blieben in der Minderheit und sie 
fühlten bald selbst, wie wenig das ermüdete Land noch nach dem Kampfe 
wider die Bundesschlüsse fragte. Uhland sagte einmal herb: „Ich spreche 
dem Volke das Recht ab, über etwas unzufrieden zu sein, was eine von 
ihm gewählte Kammer beschlossen hat. Es hat sie ja selbst so gewählt.“ 
Ein Antrag auf Herstellung der Preßfreiheit wurde zwar angenommen, 
und Uhland sprach dabei die Hoffnung aus: wenn jetzt alle Landtage ihre 
Pflicht täten, so würde dereinst eine deutsche Nationalversammlung die 
Volksrechte noch wirksamer wahren. Doch was halfen Worte gegen die 
anerkannten Bundesgesetze? Pfizer versuchte noch mehrmals das Verhält- 
nis zwischen Bundesrecht und Landesrecht zur Sprache zu bringen. Er 
  
*) Hassenpflug, kurze Darstellung der Gründe meines Austritts aus dem kurhes- 
sischen Staatsdienste. (Dem Könige übersendet durch Heinrich v. Arnim, 11.Dez. 1837.) 
v. Treitschke, Deutsche Geschichte. IV. 40
	        
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