Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Vierter Teil. Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. (27)

Rücktritt der württembergischen Opposition. 627 
Verstimmt und entmutigt beschlossen die Führer der Liberalen 1838, 
den parlamentarischen Kampf vorläufig aufzugeben; Pfizer, Uhland, Schott, 
Römer, Wolfgang Menzel ließen sich nicht wieder wählen. In einem 
Briefe an einen seiner Geißlinger Wähler sprach F. Römer die Verzweif— 
lung und Erbitterung, welche den süddeutschen Liberalismus ergriffen 
hatte, stürmisch aus. Da hieß es: „Gerade die Starrheit, womit ich 
auf demjenigen beharre, was ich für recht halte, macht mich zum württem— 
bergischen Volksvertreter gänzlich unfähig. Kann man es mit dem be— 
stehenden Rechte der Steuerverweigerung in Einklang bringen, einer Re— 
gierung, welche dem Volke gerade diejenigen Mittel vorenthält, die allein 
geeignet sind, den Sinn für einen verfassungsmäßigen Rechtszustand zu 
wecken und zu erhalten, kann man es, sage ich, mit jenem Rechte in Ein— 
klang bringen, einer solchen Regierung das Geld zu verwilligen, womit 
der Zensor belohnt wird, weil er diejenigen Stellen streicht, welche sich 
auf die Rechte der Staatsbürger beziehen? — das Geld zu verwilligen, 
womit der Polizeibeamte bezahlt wird, weil er gegen politische Versamm— 
lungen einschreitet? — das Geld zu verwilligen, womit der Richter be— 
soldet wird, weil er den Widerstand gegen solche Verfügungen bestraft? 
So scheiterten alle Versuche, einen besseren Zustand zu begründen, an der 
Furcht vor dem Bunde!“*) 
Solche Verzichte bestrafen sich in der Politik unfehlbar. Die neue 
Kammer von 1839 bestand zumeist aus ergebenen Beamten und Schult- 
heißen; man nannte sie die Amtsversammlung, und ganz ungestört konnte 
Schlayer fortan mit dem Heere seiner Schreiber schalten. Er verfuhr ver- 
ständig und sparsam; nur eine Minderung der Überzahl der Generale wagte 
er dem Großmachtsstolze seines Monarchen nicht zuzumuten. König Wil- 
helm nannte sich selbst gern einen alten Praktiker und sorgte eifrig für den 
Landbau; sein Liebling, die landwirtschaftliche Akademie zu Hohenheim be- 
saß, auch nachdem der verdiente Schwerz abgegangen war, immer treffliche 
Lehrer. Die völlige Entlastung des Bodens vermochte er freilich nicht durch- 
zusetzen; denn seine Regierung konnte, obgleich Schlayer sie als ein „bür- 
gerliches Ministerium“ rühmte, des Beistandes der ersten Kammer gegen 
die Liberalen nicht entbehren, und die Engherzigkeit der Standesherren 
wollte von befreienden Agrargesetzen nichts hören. Mit Mühe wurde die 
Ablösung der Fronden und Beden, gegen eine sehr hohe Entschädigung, 
erreicht; die Zehnten blieben bestehen, zum Leidwesen des Königs. Die 
Demagogenverfolgung betrieb er als nüchterner Geschäftsmann nicht sehr 
eifrig. Die Presse dagegen ward unerbittlich bedrückt; sie durfte sogar die 
Zensurlücken nicht mehr durch Gedankenstriche andeuten. Die große Treib- 
jagd des Bundestages hatte in Schwaben nur noch zwei politische Blätter 
am Leben gelassen: den Beobachter, der das Geschäft des unterdrückten 
*) F. Römers Schreiben an einen seiner Geißlinger Wähler, 1. Nov. 1838. 
S. Beil. XXIII. 
 
	        
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