Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Vierter Teil. Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. (27)

Die Göttinger Sieben. 659 
zu: ein abschreckendes Beispiel sei nötig, damit die übelwollenden sich 
nicht an die Erklärung der Sieben „als an ein Panier“ anschlössen; aber 
statt der aussichtslosen peinlichen Untersuchung empfahl er ein kürzeres 
Verfahren. Vergeblich baten die Minister Arnswald und Stralenheim 
als Kuratoren der Universität, man möge mindestens die Vorschriften der 
Bundesgesetze achten und zunächst den Bericht des Regierungsbevollmäch— 
tigten einfordern.) 
Ein kurzes, von Leist entworfenes Reskript verfügte die sofortige Ent- 
setzung der Sieben, und der König befahl nachträglich noch selbst, daß 
ihnen ihr Gehalt nur bis zum Tage der Entlassung ausgezahlt werden 
dürfe.*) Dahlmann, Jakob Grimm und Gervinus erhielten außerdem 
die Weisung, das Land binnen drei Tagen zu verlassen, weil sie die 
Erklärung einigen Freunden mitgeteilt hatten. Die Studenten hatten 
das Schriftstück längst überall verbreitet, sie nahmen nach dem schönen 
Vorrechte der Jugend ungescheut Partei für die gute Sache und begrüßten 
Dahlmann als „den Mann des Wortes und der Tat“z; es kam schon 
zu Händeln mit der bewaffneten Macht. Nur einige Söhne des hannö- 
verschen Adels schämten sich nicht, den Mißhandelten das Honorar durch 
den Stiefelputzer abzufordern. In der Nacht, bevor die drei Verbannten, 
von Kürassieren bewacht, abreisten, wanderten die Burschen in Scharen 
hinaus — denn den Lohnkutschern hatte die Polizeigewalt zu fahren ver- 
boten — und drüben in Witzenhausen, auf dem freieren hessischen Boden, 
nahmen sie Abschied von ihren Lehrern. Als der kleine Sohn im Grenz- 
wirtshause sich vor Jakob Grimms majestätischem Kopfe hinter dem 
Rocke der Wirtin versteckte, sagte die Mutter mitleidig: gib dem Herrn 
die Hand, es sind arme Vertriebene. 
Mit alledem war Ernst Augusts Rachgier noch nicht ersättigt. Kaum 
erfuhr er, daß Dahlmanns Berufung nach Rostock im Werke sei, so ließ 
er alsbald nach Schwerin und Strelitz schreiben, was dieser Mecklenburger 
alles verbrochen habe: „Se. Maj. haben geglaubt, den großherzoglichen 
Höfen Kenntnis von den Handlungen eines Mannes geben zu müssen, 
der in einem Lehramte an einer Universität nur höchst nachteilig auf die 
studierende Jugend wirken kann.“ Die mecklenburgischen Regierungen fürch- 
teten sich vor der drohenden Sprache des Welfen; sie beteuerten, der 
Wahrheit zuwider, die Verhandlungen seien längst abgebrochen, und er- 
klärten, nunmehr könne von der Berufung „natürlich gar nicht die Rede 
sein“.**) Auf die Nachricht, daß Jakob Grimm die Seinigen in Göttingen 
heimlich besuchen wolle, erging sofort der Befehl, den Verbrecher durch 
*) Berichte an den König: von Schele, 29., 30. Nov., von dem Universitätskura- 
torium, 8. Dez. 1837. 
**) Schele an das Kuratorium, 31. Jan. 1838. 
zun) Schele an die Minister v. Lützow in Schwerin, v. Dewitz in Strelitz, 7. Dez. 
Die Erwiderungen beide vom 16. Dez. 1837. 
  
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