660 IV. 9. Der welfische Staatsstreich.
Landdragoner über die Grenze zu schaffen.“) Um die offenbare Ungesetz-
lichkeit ihrer Entlassung auf dem einzigen gerichtlichen Wege, der ihnen
noch offen stand, zu erweisen, klagten die Sieben auf Auszahlung ihres
rückständigen Gehalts für das letzte Halbjahr. Da befahl der König der
Justizkanzlei in Hannover durch ein Kabinettsschreiben des allezeit willigen
Leist: sie solle die Klage einfach abweisen. Als der redliche Kanzleidirektor
von Hinüber sich diesem rechtswidrigen Ansinnen widersetzte, da befürchtete
Leist, die Justizkanzlei würde das königliche Kabinett verurteilen, oder auch
die Professoren könnten beim Bundestage wegen verweigerter Justiz klagen.
Um beides zu verhindern, beschloß man, den Kompetenzkonflikt zu erheben.
Die Kommission, welche die Kompetenzkonflikte zu entscheiden hatte, war
freilich durch die Aufhebung des Staatsgrundgesetzes vernichtet?“); welches
Recht stand denn noch fest in dem zerrütteten Staate? Indes gelang es,
die Sache so lange hinzuhalten, bis Ernst August einen neuen Staats-
rat gebildet hatte, und dieser entschied (1841): das Gericht dürfe die
Klage nicht annehmen, weil Entlassung und Gehaltsentziehung zu den
Hoheitsrechten des Landesherrn gehörten. Der Welfe hoffte noch lange,
die Federfuchser würden sich demütigen, und sagte in Alexander Hum-
boldts Gegenwart: Professoren, Huren und Ballettänzerinnen kann man
für Geld überall haben. Sobald Schele das falsche Gerücht hörte, daß
Albrecht und Ewald das Geschehene bedauerten, schrieb er sogleich nach
Göttingen: die Wiederanstellung sei nicht unmöglich, falls die beiden wirk-
lich Reue bezeigten.)
Leider gab die Haltung der anderen Professoren dem Könige einigen
Grund, so niedrig zu denken von dem Mute der Gelehrten. Die Gelehr-
samkeit der Georgia Augusta hatte sich den Kämpfen des öffentlichen Lebens
von jeher grundsätzlich fern gehalten; manche der alten Hofräte empfan-
den es wie eine Beleidigung ihrer Amtsehre, daß sie jetzt in die Wirren
der Politik hineingerissen wurden. Wenige Tage nachdem die Erklärung der
Sieben ruchbar geworden, fuhren der Prorektor und die Dekane nach dem
Jagdschlosse Rotenkirchen im Solling, um dem Könige untertänig aus-
zusprechen, „daß sie in dem Vertrauen zu den landesväterlichen Absichten
Sr. Maj. überall nicht wanken und niemals Gesinnungen hegen werden,
welche dem entgegen sind.“/J) Sie wagten sogar kein Wort der Erwiderung,
als die amtliche Hannöversche Zeitung nachher dem Prorektor eine völlig ge-
fälschte, die Tat der Sieben entschieden verwerfende Rede unterschob. Nur
*) Bericht des Prorektors Bergmann an das k. Kabinett, 30. Dez. 1837. Bescheid,
2. Jan. 1838.
* #) Schreiben der Justizkanzlei in Hannover an das k. Kabinett, 26. Nov. Leist an
Schele, 2. Dez. 1838.
***) Schele an Langenbeck, 28. Dez. 1837.
+) Aufzeichnung des Prorektors Bergmann und der vier Dekane, Rotenkirchen,
30. Nov. 1837.