Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Vierter Teil. Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. (27)

664 IV. 9. Der welfische Staatsstreich. 
Deutschlands, in der Schweiz erscheinen lassen. Am willfährigsten zeigte 
sich der dänische Hof, weil er selbst eine streng konservative Politik ver— 
folgte und wohl auch, weil er einen alten Haß gegen Dahlmann hegte. 
Er erteilte den Kieler Professoren, welche den Sieben geschrieben hatten, 
einen Verweis und forderte die Zensoren Schleswig-Holsteins zur Wachsam- 
keit auf, da „unzeitiges und böswilliges Aussprechen der öffentlichen Mei- 
nung“ den Erfolg der in Hannover beabsichtigten Maßregeln gefährden 
könne.) In Berlin äußerte sich Eichhorn sehr freimütig; er hoffte, der 
König würde die Brüder Grimm, vielleicht auch Dahlmann oder Albrecht 
an eine preußische Hochschule berufen. Bettina von Arnim ergriff den Ge- 
danken mit ihrem hochherzigen Eifer und suchte, unterstützt von ihrem 
Schwager Savigny, den Kronprinzen dafür zu erwärmen. Minister Rochow 
dachte anders. Auch er mißbilligte das Verfahren des welfischen Hofes 
und war sehr unglücklich, als er späterhin, für einige dem Sohne der 
Königin Friederike erwiesene Gefälligkeiten, den Guelfen-Orden erhielt; 
für einen Bundesgenossen Ernst Augusts wollte er durchaus nicht gelten.) 
Aber die Einmischung Unberufener in die hohe Politik hielt er für staats- 
gefährlich; nur unter der Hand durfte in Berlin für die Sieben gesam- 
melt werden. Da übersendete ihm der Kaufmann Jakob van Riesen die 
Adresse, welche die Elbinger an Albrecht geschickt hatten; der ehrliche alt- 
preußische Liberale hoffte arglos, den Minister dadurch für Albrechts Be- 
rufung günstig zu stimmen. Rochow brauste auf; er glaubte sich verhöhnt 
und heftig, wie er war, unterzeichnete er eine Antwort, deren maßloser 
bureaukratischer Hochmut den preußischen Staat vor aller Welt bloßstellte. 
Da hieß es: „dem Untertanen ziemt es nicht, die Handlungen des Staats- 
oberhauptes an den Maßstab seiner beschränkten Einsicht anzulegen und 
sich in dünkelhaftem Übermut ein öffentliches Urteil über die Recht- 
mäßigkeit derselben anzumaßen.“ Die Torheit sollte sich schwer bestrafen. 
Die Fama gestaltete aus diesen Sätzen das geflügelte Wort vom „be- 
schränkten Untertanenverstande“, und fortan haftete an Rochows Namen 
unaustilgbar der Fluch der Lächerlichkeit. Man hielt den Minister für 
einen ausbündigen Narren, obwohl er sich eben jetzt bei der Beratung 
des Eisenbahngesetzes sehr verständig und neuen Ideen zugänglich zeigte. 
Den konstitutionellen Höfen war übel zu Mute. Alle Welt rief, 
jetzt sei es an ihnen, durch sofortige Berufung der Sieben den alten Ruhm 
deutscher akademischer Gastfreiheit von neuem zu bewähren und dem be- 
leidigten Gewissen der Nation Genugtuung zu geben. Du Thil freilich 
blieb für solche Mahnungen taub und schrieb in seine Aufzeichnungen: 
„mir träumte der Teufel“, als Gervinus sich um eine Stelle an dem 
heimischen Darmstädter Archiv bewarb. Als entschiedene Protestanten konn- 
*) Rundschreiben des dänischen Min. d. a. A. an die Gesandten in Deutschland, 
16. Jan. 1838. 
*)Frankenbergs Bericht, 1. April 1840. 
 
	        
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